Die Systemrelevanz der Häfen war nie so sichtbar wie heute. Sie sind Schnittstelle zwischen Wasser, Schiene und Straße, für den Tourismus unverzichtbar und nehmen bei Umwelt- und Klimaschutz eine Vorreiterrolle ein. Gemeinsam mit Politik, Verwaltung und Wirtschaft betonte die IHK Schleswig-Holstein bei ihrem 4. Maritimen Parlamentarischen Abend, wie wichtig es ist, die Häfen für die gesamtgesellschaftlichen Herausforderungen fit zu machen.

„Unser Wirtschaftsstandort ist ohne die Häfen von Flensburg bis Helgoland, von List bis Lübeck nicht denkbar. Die Corona-Pandemie, aber auch eine Schiffshavarie im Suezkanal haben den Blick für die internationalen Lieferketten geschärft und verdeutlicht, wie sehr wir vom Verkehrsträger Wasser abhängig sind. Der russische Überfall auf die Ukraine hat dieses Problem noch verstärkt, und spätestens die drohende Energiekrise hat jedem gezeigt, wie wichtig unsere Häfen sind“, sagte Knud Hansen, Vizepräsident der IHK Schleswig-Holstein, beim Parlamentarischen Abend am 1. September in Kiel.

Gemeinsam mit der Politik wolle die Wirtschaft die Leistungsfähigkeit und Vielfalt der Häfen sichern. Als Knotenpunkte für Logistik, Energiewende und kommunale Daseinsvorsorge müssten die Häfen große Herausforderungen schultern. „Andererseits bieten genau diese Transformationen unseren Häfen ein erhebliches Zukunftspotenzial. Das hat zum Glück auch unsere neue Landesregierung erkannt. Sie verspricht im Koalitionsvertrag große Anstrengungen für die Häfen. Darüber hinaus planen das Land wie auch der Bund eine Hafenstrategie. Als Wirtschaft sagen wir: richtig so!“

Nicht nachvollziehbar sei insofern, dass die Bundespolitik bei maritimen Infrastrukturprojekten in Schleswig-Holstein wie dem Nord-Ostsee-Kanal oder dem Elbe-Lübeck-Kanal den Rotstift ansetzen will. Hansen: „Wer bei dringenden Sanierungen oder Ersatz- und Neubauten Budgets reduziert oder Fragezeichen setzt, der handelt zu kurzsichtig. Es hat sich niemals ausgezahlt, in Krisenzeiten auf Investitionen in Infrastruktur zu verzichten. Gerade nach der Talsohle muss diese bereitstehen. Erst dann die Planungen und Baumaßnahmen aufzunehmen, bedeutet, wichtige Jahre zu verschenken.“

Auch Schleswig-Holsteins neuer Wirtschafts- und Verkehrsminister Claus Ruhe Madsen erinnerte an die wichtige Funktion der Häfen und Wasserstraßen – insbesondere des Nord-Ostsee-Kanals. „Sie sind kein Selbstzweck, sondern sichern die Versorgung von Bevölkerung und Wirtschaft mit Rohstoffen, Energie und einer nachhaltigen Anbindung an Verkehrsnetze“, sagte Madsen. Daher werde die Landesregierung sich weiterhin dafür einsetzen, dass die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung die Infrastruktur im Norden vorantreibt und nicht kaputtspart. „Denn im Lichte stetig wachsender Kosten und abgesenkter Haushaltseckpunkte im Wasserstraßenetat des Bundes ist mittlerweile viel vom ,Strecken‘ und ,Verschieben‘ einzelner Projekte die Rede“, so Madsen mit Blick auf die Kieler Schleusen oder den Ausbau der Oststrecke.

Hansen sagte, Chancen böten sich den Häfen in Schleswig-Holstein insbesondere durch die Digitalisierung und die bessere Verzahnung von Aktivitäten auf See und an Land. Auch mit Blick auf den Tourismus seien die Häfen vielfältig und einer der wichtigsten Wertschöpfungstreiber – etwa durch Fähr- und Kreuzfahrttourismus, Marinas und Traditionssegler oder Fisch- und Krabbenkutter. Der An-schluss an Nord- und Ostsee sei bei der Dekarbonisierung ein Standortvorteil und könne dazu bei-tragen, das Süd-Nord-Gefälle zu verringern. Dazu müssten Voraussetzungen für die Bebunkerung mit alternativen Kraftstoffen oder die Versorgung mit Landstrom geschaffen werden – aber auch Infrastrukturen für Überwachung, Wartung und Reparatur im Offshore-Bereich.

Bedingt durch die Offshore-Ausbauziele der Bundesregierung und Investitionen in Wasserstoffprojekte oder LNG-Terminals erleben Projekte im Land eine spürbare Belebung. „Im Rahmen der Energiewende nehmen die schleswig-holsteinischen Häfen eine wichtige Rolle ein: vom Umschlag von Windkraftanlagen, über das Handling von Transformatoren bis hin zum Import von alternativen Energieträgern und Schiffstreibstoffen wie LNG, SNG und grünem Wasserstoff oder grünem Ammoniak”, sagte Frank Schnabel, Vorsitzender des Gesamtverbandes Schleswig-Holsteinischer Häfen und Geschäftsführer der Brunsbüttel Ports GmbH. Mit Hochdruck müsse der Aufbau der vielseitigen Energie-Import-Infrastruktur in beschleunigten Planungs- und Genehmigungsverfahren nun zum Abschluss gebracht werden, um die nachhaltige Energieversorgungssicherheit zu gewährleisten.

Ein ambitioniertes Projekt ist auch AquaVentus mit Sitz auf Helgoland: Zehn Gigawatt Erzeugungs-leistung für grünen Wasserstoff aus Offshore-Windenergie sollen bis zum Jahr 2035 entstehen. Bürgermeister Jörg Singer sagte: „Helgoland hat die letzten Jahre umfassende Erfahrungen mit der Offshore-Windenergie gesammelt und möchte mit AquaVentus einen Beitrag leisten, dass wir mit grünem Wasserstoff aus der Nordsee unsere Klimaziele in Deutschland erreichen.” AquaVentus schließe die Lücke zwischen dem grünen Kraftwerk Nordsee und der klimaneutralen Industrie. Grüner Wasserstoff von Helgoland sei der perfekte Partner für die Erneuerbaren und das Gelingen der Energiewende. Allerdings bedürfe es politischer Weichenstellung. Singer: „Im Windenergie-auf-See-Gesetz und im Flächenentwicklungsplan für die Nord- und Ostsee muss dringend eine Sammelpipeline aufgenommen werden, um den Wasserstoff transportieren zu können.”

Den Chancen stehen jedoch große Herausforderungen gegenüber: Nautische Zufahrten, fehlende Wassertiefe oder anfällige Schleusenanlagen bereiten den Häfen Sorgen. Hinterlandanbindungen stoßen an Kapazitätsgrenzen und verhindern das Verlagern von Logistik auf die Schiene. Die Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren wird zugesagt, aber nicht umgesetzt. Fach-personal fehlt bei Planung, Bau und Instandsetzung. Hinzu kommt die mangelhafte Finanzierung; darüber hinaus benötigen die Häfen auch zukünftig ausreichend Flächen für Entwicklung.

Zum Positions- und Forderungspapier Die IHK Schleswig-Holstein hat die Bedeutung, die Vielfalt und die Zukunftsperspektiven der schleswig-holsteinischen Häfen gemeinsam mit Expertinnen und Experten aus Wirtschaft und Wissenschaft gesammelt, gebündelt und stellt sie mit einem Positions- und Forderungspapier vor. Es werden nicht nur die Herausforderungen und notwendige Forderungen aufgeführt, sondern vor allem Chancen und Entwicklungsmöglichkeiten des Hafenstandorts Schleswig-Holstein und der einzelnen Hafenstandorte aufgezeigt. Informationen dazu finden Sie unter: ihk-sh.de/ZukunftHafen