Norderstedt (em/ac) In Deutschland herrscht Testierfreiheit, d.h. jeder Mensch kann in einer letztwilligen Verfügung festlegen, wer ihn beerben soll. Der Gesetzgeber hat dem aber die Grenze in der Form des Pflichtteilsrechtes gesetzt. Pflichtteilsrecht bedeutet erst einmal, dass ein bestimmter Personenkreis eine garantierte Mindestbeteiligung am Nachlass erhält. Dieses lästige Recht wird vom Bundesverfassungsgericht als verfassungsrechtlich geschützt betrachtet, hat in der Rechtsordnung also einen erheblichen Stellenwert. Wer ist pflichtteilsberechtigt? Der Kreis der pflichtteilsberechtigten Personen ist fest umrissen. Zu ihm gehören zunächst einmal Kinder, auch Adoptivkinder. Sind die Kinder vorverstorben, treten an deren Stelle die Enkel. Pflichtteilsberechtigt sind des Weiteren Ehegatten bzw. Lebenspartner im Sinne des Lebenspartnerschaftsgesetzes (gleichgeschlechtliche Ehe). Hat der Erblasser keine Abkömmlinge, sind darüber hinaus die Eltern pflichtteilsberechtigt, nicht aber Geschwister, wenn die Eltern schon verstorben sind. Wie hoch ist die Pflichtteilsquote? Die Pflichtteilsquote entspricht der Hälfte der gesetzlichen Erbquote. Die gesetzliche Erbquote wiederum schwankt je nach Verwandtschaftsverhältnissen des betreffenden Erblassers. Bei verheirateten Erblassern spielt auch der Güterstand eine Rolle. Grundsätzlich führt die Vereinbarung von Gütertrennung zu einer Erhöhung der gesetzlichen Erbquote der Kinder und damit logischerweise auch zur Erhöhung der Pflichtteilsansprüche der Kinder. Was ist eigentlich Inhalt des Pflichtteilsanspruches? Der Pflichtteilsanspruch ist immer nur auf Geld gerichtet. Eine substantielle Beteiligung am Nachlass, beispielsweise in der Form von Miteigentum an einer im Nachlass befindlichen Immobilie, ist nicht vorgesehen. Der Geldanspruch richtet sich auf die quotale Beteiligung entsprechend der Pflichtteilsquote am Wert des Nachlasses. Befinden sich somit nur Sachwerte im Nachlass, z.B. Immobilien, so hat der Pflichtteilsberechtigte einen Anspruch auf Geldzahlung, wodurch eine Liquiditätskrise beim Erben ausgelöst werden kann. Hilft es, wenn man zu Lebzeiten alles verschenkt? Grundsätzlich wird der Pflichtteilsberechtigte auch davor geschützt, dass der Erblasser zu Lebzeiten sein Vermögen wegschenkt. Dies geschieht mit dem sogenannten Pflichtteilsergänzungsanspruch. Innerhalb der letzten 10 Jahre getätigte Geschenke werden gedanklich dem Nachlass hinzugerechnet, wobei allerdings mit jedem Jahr, welches nach der Schenkung abgelaufen ist, 10 Prozent des Geschenkes in Abzug gebracht werden. Macht nach 10 Jahren dann 100 Prozent, somit werden die Geschenke dann nicht mehr berücksichtigt. Aber: Diese Frist läuft unter bestimmten Umständen nicht. Hat sich der Erblasser bei der Schenkung ein umfassendes Nutzungsrecht an dem verschenkten Gegenstand, also klassischerweise Wohnrecht an der ganzen Immobilie oder Nießbrauch an der Immobilie, vorbehalten, so läuft die 10-Jahresfrist nicht. Bei Schenkungen an Ehegatten läuft die 10-Jahresfrist nie. Was ist das Niederstwertprinzip? Der Begriff kommt aus dem Pflichtteilsergänzungsrecht und beantwortet die Frage, mit welchem Wert ein Geschenk berücksichtigt wird, welches der Erblasser zu seinen Lebzeiten getätigt hat. Hier greift (siehe oben) der Pflichtteilsergänzungsanspruch möglicherweise ein. Es stellt sich dann aber immer noch die Frage, mit welchem Wert das Geschenk zu berücksichtigen ist. Abgestellt wird dabei einmal auf den Wert des Geschenkes zum Zeitpunkt der Vornahme der Schenkung und zum anderen auf den Zeitpunkt des Todes des Erblassers. Man nimmt grundsätzlich den niedrigeren Wert, daher Niederstwertprinzip. Selbst wenn also die oben erörterte 10-Jahresfrist nicht zu laufen beginnt, weil sich der Schenker Rechte an dem Gegenstand vorbehalten hat, kann die Vornahme von Übertragungen trotzdem interessant sein, um den aktuellen Wert des Geschenkes für die Pflichtteilsberechnung festzuschreiben und nicht das Risiko weiterer Wertsteigerung in Kauf nehmen zu müssen. Besteht bei drohenden Pflichtteilsansprüchen erhöhter Beratungsbedarf bezüglich des Testaments? Im Regelfall ja. Der Umgang mit Pflichtteilsberechtigten setzt eine detaillierte Nachlassplanung voraus, die bereits bei Übertragung von Vermögenswerten zu Lebzeiten anfängt und letztendlich bei der Gestaltung des Testaments aufhört. Beispielsweise wäre es ein Fehler, die häufig unter Ehegatten praktizierte wechselseitige Erbeinsetzung vorzunehmen, wenn einer der Ehegatten durch außereheliche Kinder von Pflichtteilsansprüchen bedroht ist. Aufzupassen ist auch, dass man den Erben nicht durch Aussetzung von Vermächtnissen zu viel Liquidität entzieht, so dass er Pflichtteilsansprüche nicht mehr erfüllen kann. Grundsätzlich gilt: Sind Pflichtteilsberechtigte im Spiel, ist eine langfristige Nachlass- und Vermögensplanung vorzunehmen, die einschließlich der Testamentsgestaltung unter fachkundiger Beratung vorgenommen werden muss.