Eigentlich war die Wirtschaft gerade dabei, sich von der Corona-Pandemie zu erholen. Doch am 24. Februar begann Russlands Präsident Wladimir Putin seinen Ukraine-Krieg, der die Wirtschaft inzwischen spürbar belastet und die ohnehin schon steigende Inflation zusätzlich antreibt. Erneute Lieferengpässe in vielen Branchen und explodierende Preise für Energie, wie Gas, Öl und Kraftstoffe, aber auch Rohstoffe, wie Metall, Holz oder Getreide, sowie für Vorprodukte machen den Unternehmen allmählich zu schaffen.

WEP erwartet indirekte Auswirkungen auf hiesige Unternehmen

„Das Russland-Geschäft hatten die Unternehmen im Kreis Pinneberg zwar schon seit der Krim-Annexion deutlich zurückgefahren. Deshalb ist es nicht mehr so bedeutend. Aber indirekt treffen die Kriegsauswirkungen unsere heimische Wirtschaft trotzdem. Die Zerstörungen in der ukrainischen Wirtschaft und die Sanktionen gegen Russland verknappen Rohstoffe und Vorprodukte, nötige Umwege verteuern weltweit Frachtpreise, Lieferketten sind länderübergreifend unterbrochen. Die Marktpsychologie tut ihr übriges“, berichtet WEP Geschäftsführer Harald Schroers. Wie schwer sich diese indirekte Betroffenheit auf Kosten, Umsätze und Arbeitsplätze hiesiger Betriebe auswirken werde, sei aber noch unklar.

Materialien werden knapper und teurer

In der Baubranche zeichnen sich die Folgen bereits deutlich ab. Die Auftragsbücher sind zwar nach wie vor gut gefüllt, können jedoch nicht wie gewohnt abgearbeitet werden. Der Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands Deutsches Baugewerbe, Felix Pakleppa, schildert die Entwicklung: „Die Auswirkungen des Krieges in der Ukraine auf die Bauwirtschaft werden immer deutlicher sichtbar. Das betrifft insbesondere Stahllieferungen, aber auch Bitumen und Treibstoffe. Lieferengpässe und Preissprünge machen eine seriöse Kalkulation zunehmend unmöglich, Bauverzögerungen und Baustopps sind kaum noch vermeidbar. Die entsprechenden Zulieferer der Bauwirtschaft geben ihre Produkte allenfalls noch zu Tagespreisen an die Bauunternehmen ab. Das macht es für die Unternehmen quasi unmöglich, Angebote abzugeben.“ Aber auch laufende Bauprojekte seien betroffen. Die Lieferung wichtiger, für die Baustellen notwendiger Produkte sei nicht durchgängig gewährleistet.

Energiepreisspirale durch Steuersenkung stoppen

Der Präsident des Unternehmerverband Nord, Dr. Philipp Murmann, sieht die Unternehmen an der Grenze der Belastbarkeit. Die norddeutsche Wirtschaft stehe hinter den Sanktionen gegen Russland infolge des Angriffskrieges auf die Ukraine, fordere aber eine Reduktion von Steuern und Abgaben auf Energie, um die dramatischen Preissteigerungen abzufedern. „Erhebliches Entlastungspotential sehen wir bei der Energiesteuer auf Benzin, Diesel, Erdgas und Heizöl sowie bei den staatlichen CO2-Zertifikatspreisen. Auch eine Absenkung der Strom-Steuer wäre aktuell ein wichtiges Signal zur Entlastung der Unternehmen und zur Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit“, sagt Murmann.

Die Bundesregierung hat inzwischen reagiert und ein 15-Milliarden-Entlastungspaket geschnürt, das als Antwort auf die hohen Kraftstoffpreise unter anderem eine dreimonatige Senkung der Energiesteuer vorsieht: bei Diesel um 14 Cent und bei Benzin um 30 Cent pro Liter. Da der Preisanstieg für Diesel größer ist als für Benzin, die Entlastung aber geringer ausfällt und Unternehmen in der Regel LKW, sonstige Nutzfahrzeuge und PKW mit Dieselmotoren fahren, wirkt die Steuersenkung für den Gewerbebereich weniger entlastend.

Wie wird es weitergehen?

Die Stimmung in der deutschen Wirtschaft ist laut ifo Institut in München eingebrochen. Dies geht aus dem aktuellen ifo Geschäftsklimaindex für den Monat März hervor. Er ist gegenüber dem Vormonat Februar, als die Stimmung noch gestiegen war, deutlich abgestürzt. Die Unternehmen in Deutschland, so das Institut, rechneten mit harten Zeiten. Ob Verarbeitendes Gewerbe oder Dienstleistungssektor - hier vor allem die Logistikbranche -, ob Handel oder Bauhauptgewerbe, überall habe sich das Geschäftsklima aus Sicht der Unternehmen merklich verschlechtert. Auch die Experten des Instituts kommen in ihrer Einschätzung der wirtschaftlichen Lage zu dem Schluss, dass der Ukraine-Krieg mit seinen Auswirkungen eine Zäsur sowohl für die kurzfristigen Konjunkturaussichten als auch die mittelfristigen Wachstums- und Wohlstandsaussichten bedeutet und die bislang noch erwartete konjunkturelle Erholung von der Corona-Pandemie geschwächt wird.

Das Kieler Institut für Wirtschaft (IfW) stellt in seiner aktuellen Frühjahrsprognose fest, der Krieg in der Ukraine belaste die deutsche Wirtschaft spürbar und erhöhe den ohnehin schon starken inflationären Druck. Die Erholung breche aber nicht ab. In der Prognose halbiert das IfW Kiel seine Vorhersage für die Zunahme der Wirtschaftsleistung in Deutschland im laufenden Jahr nahezu. Es erwartet nun nur noch ein Plus von 2,1 Prozent (bislang 4 Prozent). Die Inflationsrate dürfte den Wirtschaftsexperten zufolge auf 5,8 Prozent steigen, so hoch wie noch nie seit der Wiedervereinigung. Insbesondere in der Bauwirtschaft erwartet das Institut nach einer durchschnittlichen Preissteigerung von 8,6 Prozent im vergangenen Jahr auch für 2022 eine weitere Teuerungsrate, die noch über dem Vorjahresniveau liegen dürfte.

Diese Entwicklungen dürften auch vor dem Kreis Pinneberg keinen Halt machen.

Mehr zur Konjunkturprognose 2022

  • des ifo-Instituts München hier

  • des IfW Kiel hier