Kreis Pinneberg (em) Pinnau und Stör, zwei Nebenflüsse der Elbe, bilden gleichzeitig zwei maritime Zentren in Schleswig-Holstein. Binnenschifffahrt, Hafenwirtschaft, Schiffbau, maritime Zulieferindustrie und maritimer Tourismus haben eine lange Tradition und sehen sich zunehmend großen Herausforderungen gegenüber. Eine der größten: die wasserseitige Erreichbarkeit. Die IHK Schleswig-Holstein hat nach Wewelsfleth eingeladen, um Chancen aber auch Probleme an der Unterelbe zu diskutieren.

Eine erfolgreiche Mobilitätswende im Güterverkehr erfordert einen größeren Fokus auf die Bundeswasserstraßen. Aktuelle Verkehrsprognosen zeigen aber, dass der Anteil der Binnenschifffahrt mit aktuell knapp sieben Prozent auch in Zukunft nicht steigen wird. Ein Grund ist der schlechte Zustand der Bundeswasserstraßen. Stör, Pinnau und Elbe-Lübeck-Kanal sind Beispiele für Investitionsstau oder steigende Verschlickung. „Hier braucht es nicht nur ein Umdenken bei den Haushaltsplanungen, sondern auch bei der Herangehensweise an diese Probleme. Der zunehmenden Verschlickung und der Veränderung der Sedimente muss mit neuen politischen und planerischen Ansätzen und der Kooperation der Anliegenden begegnet werden. Und das zügig: sonst können wir Stör und Pinnau zukünftig nicht mehr mit konventionellen Schiffen befahren, sondern als Kanustrecken nutzen,“ macht Hagen Goldbeck, Präsident der IHK Schleswig-Holstein, auf die Dringlichkeit der Themen aufmerksam.

Dass neben der Schifffahrt auch ansässige Unternehmen unter der Verschlickung leiden, zeigt das Beispiel Peters Werft. In den vergangenen Jahrzehnten konnte das Unternehmen mit einfachen Mitteln die Sedimente mit der natürlichen Bewegung des Wassers begrenzen. Dies wird immer komplizierter und erschwert die Arbeit am Standort. Die Bedeutung für Schleswig-Holstein und die damit verbundene Expertise im Schiffbau schildert Sebastian Dethlefs, Geschäftsführer der Peters Werft in Wewelsfleth: „Die momentane Auftragslage zeigt die Bandbreite der auf der Peters Werft bearbeiteten Schiffe: Neben den beiden Megayachten PELORUS und AL MIRQAB liegt in Dock 1 die BP26 ESCHWEGE, ein Schiff der Bundespolizei, das zu einem Schulschiff ertüchtigt wird. In Dock 2 werden Arbeiten am Tender MOSEL, einem U-Boot Zubringer-Tender der Deutschen Bundesmarine, ausgeführt. Ebenfalls über öffentliche Ausschreibung ist es erneut gelungen, Schiffe des LKN mit Beginn des neuen Jahres zur Peters Werft zu holen. Auf dem Slip werden Reparatur- und Wartungsarbeiten an kleineren Schiffseinheiten wie Schlepper und Fähren durchgeführt – zurzeit sind es routinemäßige Reparatur- und Wartungsarbeiten an einer Elbfähre.“ Das Sperrwerk an der Elbe hat eine Wassertiefe von 6,50 Meter. Diese wird in Wewelsfleth schon lange nicht mehr erreicht. Wenn sie weiter sinkt, gefährdet dies auch den Standort der Werft. 

Weiter Flussaufwärts in Itzehoe gibt es noch Güterumschlag auf Binnenschiffe, aber die Probleme sind die gleichen: Johann Schierbrock, Geschäftsführer Rudolf Rusch Mühlenwerke – Kornbrennerei GmbH & Co. KG, zu den Chancen: „Die Firma Rudolf Rusch Mühlenwerke betreibt den Stadthafen Itzehoe zur Stärkung der regionalen Wirtschaft und zur Anbindung des Kreises Steinburg an die Region Hamburg. Der überwiegende Umschlag von Schüttgütern entlastet bereits jetzt nachhaltig das Verkehrsaufkommen im Kreis Steinburg und bietet eine umweltfreundliche Transportalternative. Die Schiffbarkeit der Stör und eine gute Hinterlandanbindung sind hierfür eine notwendige Voraussetzung.“

Ähnliche Herausforderungen gibt es an der Pinnau. Dirk Woschei, Bürgermeister der Stadt Uetersen, möchte nicht nur Probleme sehen, sondern behält vor allem die Zukunft im Blick: „In den vergangenen zwei Jahrzehnten fristete der Hafen in Uetersen ein eher unbeachtetes Dasein. Mein erklärtes Ziel ist es, diesem maritimen Standort neues Leben einzuhauchen, indem ich eine gelungene Symbiose aus Freizeit- und Gewerbenutzung schaffe. Dabei kommt der Wiederherstellung der Befahrbarkeit der Pinnau besondere Bedeutung zu. Durch die nachhaltige Beseitigung von Verschlickung strebe ich an, die Pinnau wieder zu einer problemlos befahrbaren Wasserstraße zu machen. Dies sehe ich als essenziellen Schritt, um das volle Potenzial des Hafens zu entfalten. Mit einer revitalisierten Wasserstraße öffnen sich vielfältige Möglichkeiten für eine zukunftsweisende Mischung aus Freizeitaktivitäten und gewerblicher Nutzung, die nicht nur die lokale Wirtschaft stärken, sondern auch die Attraktivität des Hafens steigern wird.“

Die Unterelberegion ist auch für den Tourismus eine attraktive Region. Ludger Walterbusch, Sportschipperverein Borsfleth e. V., ordnet die Bedeutung ein: „Seefahrt ist Sehnsucht. Am Wasser spazieren gehen hat einen hohen Erlebnis- und Erholungswert, - auf dem Wasser sein toppt das noch! Im Bereich der Unterelbe schaffen ca. 20.000 Mitglieder in fast 150 Vereinen mit ihren Häfen und Anlegestellen eine maritime Infrastruktur für Wassersport und Wassertouristik. Darüber hinaus schaffen und vermitteln diese Vereine Werte wie Zusammenhalt und Miteinander – nicht nur bei der Jugendarbeit.“ Aber für die Fortführung sind auch hier Entwicklungen notwendig: „Der Aufwand, den Schlick aus den Hafenanlagen zu entfernen, ist enorm groß und wächst weiter an. Damit wir weiter unsere Flächen und Services anbieten können und für Gäste und Mitglieder attraktiv bleiben, müssen wir eine Lösung finden – gern auch gemeinsam.“

Eine Lösung streben auch die Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt, das Land Schleswig-Holstein und der Kreis Steinburg an. An der Stör soll gemeinsam ein Pilotprojekt entwickelt werden. Dazu Peter Huusmann vom Kreis Steinburg: „Die Idee des Projektes ist es zu prüfen, ob und wofür Sedimente aus der Steinburger Unterelbe nutzbar wären, um sie in andere Wertschöpfungsketten einzubringen. Vorstellbar wäre zum Beispiel eine Verwertung des Schlicks für den Deichbau.“

„Schiffbau und Schifffahrt sind wichtige Teile der maritimen Wirtschaft in Schleswig-Holstein. An den Bundeswasserstraßen sehen wir aber, wie abhängig sie von der Infrastruktur sind. Wir fordern das Land auf, sich auf Bundesebene für Investitionen stark zu machen und damit die Mobilitätswende für Güter auf das Wasser zu ermöglichen,“ mahnt Hagen Goldbeck die Politik. Gleichzeitig registriert er die Fortschritte bei der Lösung der Schlickproblemen: „Wir begrüßen sehr, dass die Stör als Pilotregion für die zukunftstaugliche Schlickbeseitigung ausgewählt wurde. Eine Lösung muss zügig gefunden werden und dann auf andere Flusssysteme ausgeweitet werden.“ Aber auch die Werften und Zulieferbetriebe dürfen an der Unterelbe nicht vergessen sein: „Auch technologische Innovationen im Schiffbau können nur dann weiterhin aus Schleswig-Holstein kommen, wenn unsere Werften gesicherte Standorte haben. Dazu gehört, dass die Schiffe auch an die Docks gelangen können.“