Münster (em/lm) Manager und Piloten benötigen die gleichen Schlüsselkompetenzen. Sie müssen Prioritäten setzen, Entscheidungen treffen sowie Ziele erreichen – und tragen auch die Verantwortung dafür. Im Rahmen der Lehman-Krise verlor unser Unternehmen, die blowUP media Gruppe, europäischer Marktführer für großflächige Außenwerbung, von einem Jahr auf das andere 50% des Jahresumsatzes: ein Rückgang von ca. 33 Mio. auf ca. 17,5 Mio. – eine Situation, die wir mit der Nutzung von Cockpit Know- How bewältigen konnten. Prioritäten setzen Im Flugzeug arbeiten wir Piloten in einer solchen Situation nach der Handlungsfolge: „aviate, navigate, communicate“. Aus „aviate“ haben wir die Frage formuliert: Wofür genau geben die Kunden uns eigentlich ihr Geld? Mal Hand auf´s Herz: Wissen Sie wirklich, wofür Ihre Kunden Ihnen ihr Geld geben, welchen Teil Ihrer Wertschöpfung Ihre Kunden am meisten schätzen und wieviel sie in der Grenzbetrachtung bereit sind dafür aufzuwenden? Wir hörten zum Beispiel von unseren Kunden „… gut 70% eures Produkt-Portfolios ist gar nicht so interessant für uns …“. Und wir bekamen echte Tipps: “… macht die 30% teurer und aus den 70% preislich attraktive Pakete, die wir einfach und günstig einkaufen können …“. Bei „navigate“ mussten wir uns fragen: Wie können wir das, was die Kunden bereit sind zu bezahlen, eben am besten nur genau das, besser oder billiger produzieren? Wir suchten nach etwas, das unsere Ziele unmittelbar unterstützt, am besten „wie von alleine“ funktioniert und von jedem im Unternehmen verstanden werden und mitgetragen werden kann. So haben wir als neue Bemessungsgrundlage für variable Gehälter „Deckungsbeitrag“ festgelegt, also den Gewinn pro Stück bzw. Werbekampagne nach allen direkt zurechenbaren Kosten. Für uns war bei „communicate“ die Frage: Wie halten wir dabei die Leute an Bord? Zunächst verzichteten wir Geschäftsführer jeweils auf 1/3 unseres Gehaltes. Sichtbar wurde unsere eigene Identifikation mit dem Unternehmen und den Menschen aber besonders, als wir dann noch beide unsere Firmenwagen verkauften und am Folgetag jeder mit einem selbst bezahlten Privatwagen vor den Büros stand. Entscheidungssituationen meistern Eine reale Unfallsituation: Der Crossair Flug 3597 kracht weit vor der Landebahn in den Wald. Der Pilot hatte beim Anflug die vorgeschriebene Mindesthöhe wissentlich unterschritten – er wollte bei schlechtem Wetter unbedingt ankommen. Im Cockpit und in Unternehmen sind eben die wichtigen Fragen: „Was genau treibt mich wirklich bei meinen Entscheidungen an, wo kommen meine aktuellen Wünsche – und auch Ängste – eigentlich her und vor allem, gehören die jetzt hier, in den aktuellen Kontext, überhaupt hin?“ In der o.g. Situation der blowUP media fiel mir das allerdings außerordentlich schwer – zu stark war die Angst alles zu verlieren und die Situation erschien mir hoffnungslos. Es war unser kaufmännischer Geschäftsführer, der diesen Hinweis gab: „Du hast vielleicht nicht mehr präsent, dass wir nie die Gewinne ausgeschüttet haben? Aktuell verfügen wir über einen Cash-Bestand, der uns einige Monate am Leben hält“. Selbstwahrnehmung, Selbstreflexion und ein ggf. durch Dritte unterstützter Perspektivwechsel lohnen also in hohem Maße bei Entscheidungssituationen. Ziele gemeinsam erreichen Ein besonders Beispiel dazu erinnere ich von einem Flug im Cockpit eines British Airways Fluges – ich saß im Cockpit auf dem sog. Jump Seat zwischen den Piloten. In meiner aktiven Laufbahn hatte ich gelernt, dass im Cockpit die Rollenverteilung zwischen „Pilot Flying“ (das Crewmitglied, was das Flugzeug fliegt und die Flugführungssysteme bedient) und „Pilot Monitoring“ (das Crewmitglied, das den „Pilot Flying“ unterstützt und überwacht) für jeweils den ganzen Flug eingenommen wird. Also: Auf dem Hinflug ist einer/eine „Pilot Flying“ und das andere Crewmitglied „Pilot Monitoring“ und auf dem nächsten Flug genau umgekehrt. Bei British Airways hingegen wird im Flug diese Rollenverteilung gewechselt. Im Anflug sagte der Copilot, der auf die Übergabe der Flugzeugsteuerung wartete: “… gibst du mir dann mal das Flugzeug, denn ich bin ja jetzt gleich dran …“. Der Kapitän entgegnete: „… ja klar, gleich – aber ich gebe dir das Flugzeug dann, wenn es richtig konfiguriert und ausgetrimmt ist …“. Da merkte ich, wie eng Kapitän und Copilot miteinander verbunden waren: Die Person, die „gleich dran ist“ schaut schon mal genau hin und die Person „die gleich was übergibt“, setzt sich besonders für das Ergebnis der eigenen Arbeit ein. Ich entschied mich dafür, genau das im Unternehmen zu implementieren. Diese Authentizität und gegenseitige Antizipation schafften eine echte Gemeinschaft, was wesentlich zur Bewältigung der Krise beigetragen hat.