Hamburg (em) „39 Prozent der norddeutschen Metall- und Elektrobetriebe klagen über fehlende Aufträge. Damit fällt die Auslastung auf das drittniedrigste Niveau seit 18 Jahren.
Und mit 71 Prozent erwarten fast drei Viertel der Unternehmen auch im kommenden halben Jahr keine Umsatzsteigerung“, resümiert NORDMETALL-Präsident Folkmar Ukena die Herbst-Konjunkturumfrage von NORDMETALL, AGV NORD und den Arbeitgeberverbänden Oldenburg, Ostfriesland sowie Bremen. „2025 werden wir nicht nur das dritte Jahr in Folge eine Rezession erleben, sondern auch eine echte Wirtschaftskrise“, prognostiziert der Familienunternehmer aus Leer in Ostfriesland.
Besonders betroffen sind energieintensive Branchen wie Gießereien und Hersteller von Metallerzeugnissen, von denen 77 bzw. 41 Prozent die Geschäftslage als unbefriedigend oder schlecht bewerten, vor allem aufgrund der unverändert hohen Energiepreise. Es folgen in der Negativ-Bewertung der Straßenfahrzeugbau (54 Prozent) und die Maschinenbauer (44 Prozent). Die Kapazitätsauslastung der norddeutschen Metall- und Elektroindustrie ist auf 82 Prozent gesunken und liegt damit rund vier Prozent unter dem Langzeitdurchschnitt. Lieferengpässe beklagt mit 33 Prozent vor allem der Luft- und Raumfahrzeugbau.
22 Prozent der norddeutschen Metall- und Elektrounternehmen planen inzwischen Produktionsverlagerungen ins Ausland. Dies ist der höchste je in NORDMETALL-Konjunkturumfragen gemessene Wert. Vor allem im Straßenfahrzeugbau (31 Prozent) und im Luft- und Raumfahrzeugbau (27 Prozent) werden diese Überlegungen vorangetrieben.
Für 67 Prozent der Unternehmen hat sich die Attraktivität des Wirtschaftsstandortes Deutschland in den vergangenen sechs Monaten verschlechtert. Seit zwei Jahren pendelt dieser Wert um die erschreckende 70 Prozent Marke, vor sieben Jahren lag er noch bei 15 Prozent. Mit 84 Prozent sehen die norddeutschen Metall- und Elektrobetriebe vor allem die hohen Arbeitskosten als Belastung an. Es folgen die Bürokratielasten (63 Prozent), Material (62 Prozent) und Energiekosten (61 Prozent).
Lena Ströbele, NORDMETALL-Verhandlungsführerin in der aktuellen Tarifrunde, die am 15. Oktober in Bremen fortgesetzt wird, resümiert: „Wir befinden uns nicht in einer vorübergehenden Konjunkturdelle, sondern in einer vermutlich lang andauernden Strukturkrise. Darauf müssen Arbeitgeber und Gewerkschaft in der gerade laufenden Tarifrunde eine angemessene Antwort finden. Die Betriebe brauchen planbare und zugleich flexible Rahmenbedingungen und eine Entlastung bei den Arbeitskosten. Diese sind zwar nicht der einzige Grund, weshalb Unternehmen dem Standort den Rücken kehren, aber die einzige Komponente, die wir als Tarifpartner selbst steuern können. Ein situationsgerechter Tarifabschluss wäre auch ein Beitrag zur Stärkung der Tarifbindung im Land", so die Personaldirektorin der Lürssen-Gruppe.
NORDMETALL-Präsident Folkmar Ukena ergänzt: „Die Tarifparteien müssen mit Blick auf die Standortsicherung verantwortlich verhandeln. Wir erwarten jetzt, dass die Bundesregierung endlich massiv an besseren Rahmenbedingungen für die Industrie und ihre Belegschaften arbeitet. Wir brauchen eine Unternehmenssteuerreform, die die Betriebe entlastet, rasch umgesetzte Maßnahmen zur Senkung der Energiepreise und eine Offensive zur Entbürokratisierung, die vor allem die EU in den Blick nimmt. Angesichts der sich verschärfenden Wirtschaftskrise bleibt nicht mehr viel Zeit, um den Standort Deutschland zu stärken.“
19 Prozent der Unternehmen werden die Zahl ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den kommenden drei Monaten verringern. Das ist der höchste Wert seit der Corona-Pandemie. Insgesamt wird die norddeutsche M+E-Industrie bis zum Jahresende voraussichtlich 300 Arbeitsplätze verlieren. Qualifizierte Fachkräfte sind weiterhin für zwei Drittel der Betriebe (62 Prozent) nur unbefriedigend oder schlecht verfügbar, vor zwei Jahren lag der Wert mit 84 Prozent sogar noch höher. Geeignete Bewerberinnen und Bewerber für Ausbildungsplätze vermissen jetzt 56 Prozent der Firmen, im Herbst 2022 waren es 74 Prozent. „Der Fachkräftemangel bleibt wie die Rekrutierung von Nachwuchs weiter ein großes Problem. Nach unserer Einschätzung verliert er nur angesichts der Wirtschaftskrise an Schärfe“, konstatiert Folkmar Ukena.
213 Unternehmen mit rund 113.000 Beschäftigten nahmen im August und September an der Befragung in Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein und dem nordwestlichen Niedersachsen teil.