Arbeitsagentur, Handels- und Handwerkskammer, Unternehmerverband Nord, DGB und Schulbehörde appellierten im Rahmen einer Pressekonferenz an junge Menschen, die Chancen einer dualen Berufsausbildung zu nutzen – in der Lehrstellenbörse der Handwerkskammer sind 1.163 Ausbildungsplätze frei

Hamburg - Der Hamburger Ausbildungsmarkt hat die Corona-Pandemie und die negativen Auswirkungen der vergangenen zwei Jahre vollständig hinter sich gelassen. Zumindest gilt dies auf der Angebotsseite, denn bis Anfang April gingen insgesamt 8.641 Ausbildungsstellen bei der Agentur für Arbeit Hamburg ein, das sind 200 mehr als im März 2020 und lässt die Corona-bedingte negative Entwicklung hinter sich. Die Bewerberseite „ist zögerlich, schwerer greifbar, entscheidet sich später“, heißt es, wenn sich Ausbildungsbetriebe zum aktuellen Ist-Zustand auf dem Hamburger Ausbildungsmarkt äußern. Daher verwundert es auch nicht, dass derzeit nur knapp 4.300 Ausbildungsbewerber in der Arbeitsagentur gemeldet sind, fast 1.700 (genau 1.677) weniger als im März 2020.

Der klare Zuwachs an gemeldeten und freien Ausbildungsplätzen in allen Branchen zeigt allerdings, wie ernst alle Ausbildungspartner ihre Verantwortung gegenüber den jungen Leuten nehmen. „Natürlich brauchen wir Nachwuchs- und Fachkräfte im Handwerk, Handel, in der Gesundheitswirtschaft, der öffentlichen Verwaltung und im Dienstleistungsbereich. Wir sehen die klassische Berufsausbildung als Königsweg aller Disziplinen, der allen jungen Leuten nicht nur einen qualifizierten guten Berufseinstieg bietet, sondern auch beste persönliche Perspektiven für die Zukunft“, betonen und werben die an der Pressekonferenz beteiligten Ausbildungs-experten.

Für Sönke Fock, in dessen Arbeits- und Ausbildungsagentur sich beide Seiten des Ausbildungsmarktes sehr deutlich widerspiegeln und der im Frühjahr ein Ausbildungsversprechen gegeben hat, ändern sich die Vorzeichen auf dem Hamburger Ausbildungsmarkt: „Mein Ausbildungsversprechen an Schulabgängerinnen 2023 war gut gemeint, verfing aber nicht wirklich. Deshalb rufe ich jetzt alle Hamburger Schulabgängerinnen der vergangenen Jahre auf, sich in der Jugendberufsagentur Hamburg zu melden, um von dem großartigen Ausbildungsangebot zu partizipieren. Meine Berufsberater:innen und Ausbildungsvermittlerinnen kennen die Anforderungen der Betrieben, helfen den jungen Erwachsenen bei der Orientierung und Suche nach einem für sie passenden Ausbildungsberuf. Gleichzeitig rufe und fordere ich Eltern, Lehrer:innen, Sozialpädagoginnen und weitere Multiplikatoren auf, sich aktiv(er) für eine berufliche Ausbildung einzubringen, wenn es im persönlichen Kontakt mit Jugendlichen angebracht ist. Der Weg in die Jugendberufsagentur ist dabei erstaunlich kurz und unkompliziert.“

Schulsenator Ties Rabe: „Jungen Menschen stehen attraktive Ausbildungsberufe in allen Bereichen offen – von Industrie und Handel bis Gesundheit und Pflege, von Handwerk, Medien und IT bis zu sozialpädagogischen Berufen. Die Auswahl ist jetzt schon groß, und zusätzlich entstehen immer neue, attraktive Berufe wie beispielsweise ab dem 1. August die Ausbildung zum Gestalter für immersive Medien. Mit einer Berufsausbildung erwerben Jugendliche und junge Erwachsene ein solides und zukunftssicheres Fundament für den Weg in den Beruf. Damit ihnen der Übergang in eine Ausbildung gut gelingt, haben wir in Hamburg die Berufsorientierung an den Stadtteilschulen und die Angebote in der Ausbildungsvorbereitung deutlich ausgebaut. Die stabilen Übergangszahlen der Hamburger Schulabgängerinnen und -abgänger in Ausbildung bestätigen die gute Arbeit der Schulen und der Jugendberufsagentur Hamburg. Auch in der gymnasialen Oberstufe sorgen wir dafür, dass Abiturientinnen und Abiturienten zukünftig besser beruflich orientiert die Schule verlassen. Dennoch macht mir Sorgen, dass sich der Ausbildungsmarkt von seinem dramatischen Einbruch während der Corona-Pandemie bis heute nicht erholt hat. Es fehlen vor allem die Berufsanfänger aus den anderen Bundesländern. Deswegen ist es unerlässlich, durch mehr Berufsausbildung den Fachkräftebedarf von morgen zu decken. Wir brauchen mehr Ausbildungsplätze – und zugleich eine größere Bereitschaft junger Menschen, eine Ausbildung zu beginnen.“

Prof. Norbert Aust, Präses der Handelskammer Hamburg: „Mit unserer Kampagne ‚Jetzt #könnenlernen‘ sprechen wir die Fachkräfte authentisch mit echten Azubis in sozialen Netzwerken an. Wir dürfen nicht nachlassen, den jungen Menschen die Vorzüge und Chancen einer dualen Ausbildung schmackhaft zu machen. Hamburgs Wirtschaft konnte zuletzt wieder mehr neue Ausbildungsverträge verbuchen als während der Pandemie. Um diesen Trend fortzusetzen, benötigen wir aber wieder mehr Jugendliche, die sich für eine duale Berufsausbildung entscheiden und die vielen von den Betrieben angebotenen freien Ausbildungsplätze zu besetzen. Nur mit ausreichendem Fachkräftenachwuchs lassen sich die Ziele unserer Standortstrategie ‚Hamburg 2040: Wie wollen wir künftig leben – und wovon?‘ realisieren.”

Hjalmar Stemmann, Präsident der Handwerkskammer Hamburg: Ich freue mich, dass die Corona-Delle bei den neu abgeschlossenen Ausbildungsverträgen 2022 überwunden werden konnte und sich nun mit einem leichten Plus eine Trendwende andeutet. Die Handwerkskammer setzt mit ihrem Projekt „Traumjob Handwerk“ alle Hebel in Bewegung, damit sich diese positive Entwicklung stabilisiert und weiter fortsetzt. Wir informieren über Handwerksberufe, gehen in Schulen, sprechen gezielt Eltern an, motivieren insbesondere Mädchen in eigens auf sie zu-geschnittenen Workshops und bieten beispielsweise auch Schnupperpraktika im Klimahandwerk an – einem Bereich, in dem noch über viele Jahre hinweg besonders viele Fachkräfte benötigt werden. Der Schlüssel eines erfolgreichen Übergangs von der Schule in den Beruf liegt für uns in einer praxisnahen Berufsorientierung, damit junge Menschen ihre Talente und Stärken austesten und erkennen können – eine unabdingbare Voraussetzung für ein passgenaues Ausbildungsangebot, das jungen Menschen den Weg in ein sicheres und erfülltes Berufsleben ebnet.“

Michael Thomas Fröhlich, Hauptgeschäftsführer UVNord: „Wir müssen duale Ausbildung neu denken – vor allen Dingen noch attraktiver bewerben. Das beginnt frühzeitig in der Schule im Bereich der Berufsorientierung bei der auch Praktiker in den Unterricht gehören. Und wir brauchen ein strukturiertes Praktikumsprogramm für alle Jugendlichen, die nicht hinreichend beruflich orientiert sind. Vorbild können die Praktikumswochen in Baden-Württemberg sein. Jugendliche können dort an fünf Tagen fünf verschiedene Ausbildungsberufe in jeweils unterschiedlichen Betrieben kennenlernen. Hamburg muss auch bezahlbaren Wohnraum für Auszubildende vorhalten. Die Bundesregierung hat hierzu angekündigt, ein Bund-Länder-Programm „Junges Wohnen“ aufzulegen. Hierbei müssen die Auszubildenden angemessen und fair berücksichtigt werden. Hamburgs Arbeitgeber werden alles in ihrer Macht Stehende tun, um über attraktive Praktika, insbesondere Mädchen auf MINT-Berufe aufmerksam zu machen. Ein bislang noch vernachlässigtes Potential. Ferner setzen sie auch auf regionale Mobilität von Auszubildenden und werden dort darauf aufmerksam machen, wo Betriebe bereits bezahlte Heimfahrten oder Wohnraum zur Verfügung stellen. Aber alle Anstrengungen werden nichts nutzen, wenn sie nicht die Lust der jungen Menschen an dualer Ausbildung wecken. Wer ausbildet gibt keine Zeit aus, sondern investiert in dieselbige und in die eigene Karriere.“

Tanja Chawla, Vorsitzende und Geschäftsführerin DGB Hamburg: „Eine erfolgreiche Berufslaufbahn beginnt mit einer qualitativ hochwertigen Ausbildung. Die duale Ausbildung ist hierfür eine hervorragende Möglichkeit, da sie praktische Fähigkeiten vermittelt und eine solide theoretische Basis bietet. Um sicherzustellen, dass die duale Ausbildung weiterhin von hoher Qualität bleibt, müssen wir sie stärken. Das Land Bremen hat gezeigt, dass eine umlagefinanzierte Ausbildungsgarantie (dort genannt: umlagefinanzierter Landesausbildungsfonds) ein wichtiger Schritt in diese Richtung ist und gleich mehrere Vorteile bringt: Erstens erhält so jeder Mensch einen gesetzlichen Anspruch auf eine vollqualifizierende Berufsausbildung, unabhängig vom Schulabschluss. Zweitens profitieren Unternehmen ebenfalls von dieser umlagefinanzierten Ausbildungsgarantie, da die Unternehmen, die nicht ausbilden, keine Wettbewerbsvorteile mehr haben, indem sie gut ausgebildete Fachkräfte abwerben. Die umlagefinanzierte Ausbildungsgarantie zielt auf eine solidarische Finanzierungsbeteiligung aller Betriebe an den Ausbildungskosten ab. Mit ihr investieren wir in unsere Zukunft und schaffen eine Win-win-Situation für alle Beteiligten. Was in Bremen möglich ist, kann auch in Hamburg realisiert werden. Daran sollten die Hamburger Regierungskoalition und die Sozialpartner verstärkt arbeiten.“

Sascha Schneider Chief People Officer Montblanc: „Bei Montblanc spielt erstklassige Ausbildung seit jeher eine sehr wichtige Rolle. Damit sichern wir die handwerkliche Exzellenz unserer Produkte über Generationen. Auch wir merken, dass es immer schwieriger wird, interessierte Bewerberinnen zu finden. Deshalb haben wir frühzeitig neue Wege in der Ansprache und im Recruiting eingeschlagen. Heute gehen wir verstärkt dahin, wo sich junge Menschen bewegen: ins Internet und in die sozialen Medien. Durch intensive Kontakte mit Schulen, Schülerpraktika, den Future Day und auch das kostenlose Angebot von Kalligraphiekursen für Schülerinnen im Montblanc Haus machen wir unsere Ausbildungsberufe erlebbar. Das Handwerk ist eine wesentliche Säule unserer Wirtschaft, die duale Berufsausbildung ist einzigartig und bringt viele Möglichkeiten mit sich. Ich wünsche mir, dass wieder mehr junge Menschen diese Option in Betracht ziehen – gern auch bei Montblanc.“