Diskriminierung einer nicht-binären Person

Noch im Oktober 2021 hatte sich die später klagende Person in einem Online-Shopzwei Laufhosen bestellt. Damals noch als „Herr B.“ Wenige Tage später erwirkte B. beim zuständigen Standesamt eine Änderung der Personenstandsdaten, so dass seither in der Rubrik Geschlecht „keine Angabe“ eingetragen ist. Gut drei Wochen später bestellte B. erneut in dem Shop. Nach wie vor standen dabei in der Eingabemaske nur die Anredemöglichkeiten „Herr“ und „Frau“ zur Auswahl. Die Bestätigung der Bestellung begann folglich auch diesmal mit den Worten „Sehr geehrter Herr B.“ Die klagende Person sah darin eine Benachteiligung aufgrund ihrer Geschlechtsidentität sowie eine Verletzung ihres Allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Über einen Anwalt forderte B. ein Schmerzensgeld in Höhe von 2500,- Euro und die Unterlassung weiterer Diskriminierung in der geschäftlichen Kommunikation mit dem Shop.

Persönlichkeitsrecht verletzt

Sowohl das Landgericht Mannheim (Az. 9 O 188/20) als auch das OLG Karlsruhe (Az. 24 U 19/21) erkannten an, dass die klagende Person in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht beeinträchtigt worden war. Anders als Menschen mit männlichem oder weiblichem Geschlecht habe B. sich beim Kaufabschluss auf eine Angabe festlegen müssen, die nicht mit der tatsächlichen geschlechtlichen Identität übereinstimmte.

Geschlechtsneutrale Anrede als Alternative

Dennoch wurde die Klage in beiden Instanzen abgewiesen. Das lag zum einen daran, dass die Betreibenden des Online-Shops im Laufe des Rechtsstreits nachgebessert hatten. Wer jetzt online bei dem mittelständischen Bekleidungsunternehmen bestellt, kann sich im Anredefeld für die Möglichkeit „Divers/keine Anrede“ entscheiden. Dann wird automatisch auf eine geschlechtsneutrale Formulierung umgestellt: Statt „Sehr geehrte Frau“ oder „Sehr geehrter Herr“ heißt es nämlich „Guten Tag“, gefolgt vom Vor- und Nachnamen. Nach Auffassung des OLG ist damit sichergestellt, dass B. im selben Shop nicht noch einmal auf gleiche Art und Weise diskriminiert wird. Ein Unterlassungsanspruch entfällt.

Kein Anspruch auf Entschädigung

Auch eine finanzielle Entschädigung steht der klagenden Person nach Ansicht des Oberlandesgerichts nicht zu. Denn: Ein solcher Anspruch bestehe nur bei schwerwiegenden Verletzungen des Benachteiligungsverbots. Im vorliegenden Fall allerdings habe die Benachteiligung lediglich im privaten Bereich stattgefunden und nicht in der Öffentlichkeit. Dadurch wiege sie weniger schwer. Berücksichtigt werden müsse außerdem, dass der Grad des Verschuldens auf der Seite des Online-Shops als gering einzustufen sei. Die Betreibenden hätten mit ihrem Formular niemanden dazu drängen wollen, Angaben über das eigene Geschlecht zu machen. Vielmehr sei es darum gegangen, eine korrekte Anrede für die weitere Kommunikation zu ermöglichen.

Fazit

Was auf dem Stellenmarkt schon lange gilt, muss auch in Online-Shops umgesetzt werden. Formulare und Eingabemasken, die nur nach „Herr“ und „Frau“ unterscheiden, verletzen Menschen mit nicht-binärer Geschlechtsidentität in ihrem Persönlichkeitsrecht. Ob in solchen Fällen ein Anspruch auf Entschädigung besteht, hängt von der Schwere der Verletzung ab. Um rechtliche Auseinandersetzungen zu vermeiden, muss aber spätestens jetzt auch eine genderneutrale Anrede zur Auswahl gestellt werden.