Kirchheim (em/sh) Philip Keil ist erfahrener Berufspilot, professional Speaker (GSA) und Buchautor. Im Alter von 22 Jahren zählte er zu den jüngsten Verkehrspiloten Deutschlands. Er lebte und arbeitete in den USA, Großbritannien und Kanada. Sein Flugbuch liest sich beeindruckend: über 8.000 Flugstunden, tausende Starts und Landungen auf vier Kontinenten und in beinahe allen Klimazonen. 2009 verhindert Keil nur dank eines speziellen Handlungsmusters eine Katastrophe. Dieses einschneidende Erlebnis inspirierte ihn dazu, diese „Strategien der Profi-Piloten“ auch über den Tellerrand der Luftfahrt hinaus bekannt zu machen. Neben Impulsvorträgen bietet Philip Keil auch innovative Führungskräfte- Trainings im Flugsimulator an. Er ist Autor des Sachbuchs „Ready for Take off“.

Der Notfall kam sprichwörtlich aus heiterem Himmel
Es ist ein sonniger Tag im ägyptischen Badeort Hurghada, dieser 24. Februar 2009. Ich ziehe die Boeing langsam vom Asphalt der Startbahn nach oben alles verläuft planmäßig. Nur Augenblicke später werden wir, in der Steilkurve liegend, heftig durchgeschüttelt. Die Strömung an den Tragflächen reißt ab, 80 Tonnen fallen plötzlich wie ein Stein vom Himmel. 150 Meter über Grund. Da bleiben zwei Sekunden zum Reagieren, sonst ist ein Absturz unabwendbar. Mir ist sofort klar, was passiert ist: Uns hat eine schwere Windscherung getroffen eines der seltensten Phänomene. Und eines der gefährlichsten. Und ich bin mit 190 Menschen, für die ich die Verantwortung trage, mittendrin. Eine Windscherung ist ein plötzlicher, heftiger Wechsel der Windrichtung. Wie aus einem Reflex heraus drücke ich die Nase der Boeing aggressiv nach unten, leite die Kurve aus und drücke die Schubhebel bis zum Anschlag nach vorn. Das war der einzige Weg, um wieder Strömung an die Tragflächen zu bekommen. Kurz darauf greift die Aerodynamik, die Maschine ist wieder unter Kontrolle. Das wir alle an Bord an diesem Tag mit dem Schrecken davon gekommen sind, verdanken wir einem sehr speziellen Piloten-Training, das nichts mit fliegerischen Fertigkeiten zu tun hat. Sondern mit den Soft Skills. Mentale Strategien, um in schwierigen Situationen der Beste zu sein, der wir sein können.

NASA-Strategien fürs Unternehmens-Cockpit
Stress, Konflikte, Notfälle: All das gehört mittlerweile zum Job-Alltag dazu. Gerade in turbulenten (Flug-)Phasen zeigt sich, ob die Crew gut aufgestellt ist oder nicht. Im Cockpit wie im Business. Das Problem: Unser Gehirn arbeitet im Krisenmodus sehr uneffektiv. Totstellen, wegrennen oder angreifen die Evolution lässt grüßen. Weil diese Reaktionen in der Luftfahrt bereits zu verheerenden Katastrophen geführt haben, entwickelte die NASA Ende der 70er Jahre das „Crew Resource Management“. Hocheffektive Strategien, die Piloten auch im Notfall dabei helfen, überlegt und koordiniert zu handeln. Die Erkenntnisse aus den Flugzeugabstürzen förderten drei Faktoren zu Tage, die fast immer zur Katastrophe beitrugen: schlechtes Teamwork, mangelndes Fehlermanagement und das Fehlen klarer Prioritäten.

Landen nicht vergessen!
Letzteres erreichen wir durch das sog. „Sterile Cockpit“, einer Strategie, die bei Start und Landung unseren Fokus voll auf die Steuerung des Flugzeugs lenkt. Jede Landung, jeder Flughafen ist anders und bringt neue Besonderheiten mit sich. Und hier kommt das Teamwork ins Spiel. Die Untersuchungsberichte unzähliger Firmen-Pleiten und Flugzeug- Crashs belegen, dass allein eine klare Kommunikation die Katastrophe schon hätte verhindern können. Bei uns findet kein Start und keine Landung ohne ein kurzes aber effektives Briefing statt: Ablauf, Besonderheiten, Wetter, beide Piloten müssen das gleiche Bild von der Situation haben, um sich gegenseitig unterstützen zu können. Bestandteil dieses Briefings ist auch der Plan „B“. Was passiert wenn ein Triebwerk ausfällt? Wann muss der Anflug abgebrochen werden? Piloten setzen sich hierfür vorab (!) ein klares „Gate“ eine Mindesthöhe - an der ohne Zögern entschieden wird: landen oder durchstarten. Es spielt dabei im Übrigen keine Rolle, ob Kapitän oder Co-Pilot die Maschine steuern. In der Luftfahrt sind starre Hierarchien schon lange passé. Piloten wechseln sich als „Pilot Flying“ am Steuerknüppel ab, während der „Pilot Monitoring“ kontrolliert und unterstützt.

Schluss mit Autopilot
Ins Handeln kommen, alte Routinen durchbrechen, auf Unerwartetes schnell reagieren darin besteht die größte Herausforderung für Unternehmen. Schnell umzuschalten und vorbereitet zu sein lautet da die Devise. Piloten trainieren diese geistige Beweglichkeit regelmäßig im Flugsimulator, um sich Schritt für Schritt zu verbessern. Klare Strategien, aus der Praxis für die Praxis, sind die beste Voraussetzung, um für jede Turbulenz vorbereitet zu sein auch am Boden!