Neumünster: Während in anderen Regionen Schleswig-Holsteins oder gar im Bundesgebiet die Querung von Wasserstraßen auch zukünftig planbar ist, stehen Einwohner, Touristen und die Wirtschaft westlich von Hamburg derzeit vor einer ungewissen Zukunft. Hintergrund ist die Frage: A 20 oder Fähre? Tim Kunstmann, Geschäftsführer von FRS Elbfähre Glückstadt Wischhafen GmbH, Friedrich Kruse, Vorstand der Logistik Initiative Schleswig-Holstein, und Holger Matzen, Vorstandsvorsitzender der Initiative, diskutierten diesen Ansatz.
Einigkeit besteht darin, dass eine leistungsfähige und damit nachhaltige Logistik Verkehrsinfrastrukturen benötigt, die Prozesse langfristig planbar machen. Nur so sind ressourcenschonende Transporte oder Reisen möglich. Dies wird in den Positionspapieren der Logistik Initiative und im aktuellen Konzeptpapier „Die Fährlinien der Zukunft – Umweltfreundliche Mobilität in Norddeutschland“ der FRS Elbfähre deutlich.
Hintergrund dieser Überlegungen ist, dass mit dem Bau der Festen Fehmarnbeltquerung steigende Verkehre aus Skandinavien aber auch aus Süd- und Westeuropäischen Regionen auf dieser Route erwartet werden. „Mit dem Ausbau der B5 in den Kreisen Steinburg und Nordfriesland sowie dem Ausbau auf der dänischen Seite bis Esbjerg werden zusätzliche Verkehre zu erwarten sein,“ erläutert Holger Matzen, Leitung Geschäftsentwicklung Kontraktlogistik bei Herbert Voigt GmbH & Co. KG, die Notwendigkeit einer A20 mit Elbtunnel. Gerade die Westküste etabliert sich immer mehr als Region für eine ressourcenschonende Energieversorgung für Norddeutschland und als Standort für die Produktion von Bauteilen wie Batterien, die für eine Dekarbonisierung von Wirtschaft und Verkehr notwendig sind, führt er weiter aus. Für solche langfristig angelegten Investitionen sind zukunftsfeste Ausbaumaßnahmen im Verkehrsinfrastrukturbereich unerlässlich. „Sonst steht zu befürchten, dass diese Vorhaben nicht zeitnah umgesetzt werden können,“ befürchtet Friedrich Kruse, Geschäftsführer von Friedrich A. Kruse jun. aus Brunsbüttel. Allerdings steht derzeit leider nicht fest, wann ein A20-Tunnel die Elbe queren könnte.
„Doch die darüber bestehende Unsicherheit könnte zumindest abgemildert werden,“ greift Tim Kunstmann den Gedanken auf. So könnten mit einem optimierten Fährkonzept erste zu erwartende Logistikströme bereits vor der A20-Fertigstellung aufgenommen werden. „Moderne emissionsfreie Elektrofähren könnten wesentlich mehr Verkehr aufnehmen, als dies derzeitig möglich sei,“ führt Tim Kunstmann aus. Ertüchtigte Fähranleger auf beiden Elbseiten und die Verbesserung der Zuwegung könnten dann wesentlich zur Erhöhung der Rundläufe zwischen beiden Ufern beitragen. „Sinnbildlich würde damit auch eine Brücke für Touristen aber auch Pendler gebaut – was jedoch die Elbfähre benötigt, ist Unterstützung aus der Landespolitik, um Planungssicherheit zu erlangen,“ so Tim Kunstmann. Aufgrund des nicht kalkulierbaren Fertigstellungstermins des A20-Elbtunnels ist für die Reederei keine Planbarkeit vorhanden, wie lange noch mit einer hohen Nachfrage an der Fährlinie gerechnet werden kann.
„Mit Blick auf den Zeithorizont für den Bau des Elbtunnels wäre eine solche Lösung eine sehr gute Lösung bis zu dessen Fertigstellung,“ zeigt sich Holger Matzen vom Ansatz der FRS Elbfähre begeistert. „Zudem würde es auch nach einem Tunnelbau weiterhin Verkehre geben, die eine Fähre benötigen,“ ergänzt Tim Kunstmann. Da wären Touristen und Radfahrer zu nennen. Aber auch Transporte, die Tunnel nicht passieren dürfen, spielten eine Rolle. Friedrich Kruse ergänzt hierzu: „Wir sind als Logistiker an der Westküste Schleswig-Holsteins förmlich abgeschnitten. Die Landespolitik sollte die FRS Elbfähre unterstützten bei der Realisierung des Mobilitätskonzeptes, um eine Überbrückung bis zur Fertigstellung des A20-Tunnels zu ermöglichen. Das Konzept wäre deutlich schneller realisiert, als es vom geplanten Tunnel derzeit erwartet werden kann. Wir würden auch nach Fertigstellung des Tunnels mit gewissen Verkehren, wie z.B. Gefahrguttransporten, die Fähre nutzen“.
Insofern stellt sich nicht die Frage A20 oder Fähre?! Vielmehr gehe es darum, die Logistikketten so zu verbinden, dass Menschen, Natur und Umwelt möglichst geschont werden und beide Verkehrsprojekte sich gegenseitig ergänzen. Doch für beide Querungsmöglichkeiten bedarf es der Unterstützung. So plädieren beide Akteure für die Unterstützung dieser Vorhaben. „Zeitlich gesehen wäre eine Stärkung der Fährverbindung schneller umzusetzen und könnte eine Überbrückungsfunktion übernehmen,“ plädiert Kunstmann für eine Unterstützung seines Projektes. Friedrich Kruse bekräftigt dies mit dem Hinweis, „dass die für den Bau der A20 prognostizierten Verkehre jedoch grundsätzlich einen Bau der A20 notwendig machen würden. “ Dies untersetze sich zudem mit Blick auf die aktuellen positiven Entwicklungen an der Westküste, die in den früheren Verkehrsprognosen für die A20 bisher nicht absehbar waren. Abschließend unterstreicht Holger Matzen: „Das Mobilitätskonzept der FRS Elbfähre ist eine sehr gute und überbrückende Maßnahme bis zur Fertigstellung des Tunnels. Jedoch auch nach Fertigstellung des A20-Tunnels wird eine zuverlässige Fährverbindung als Ergänzung benötigt. Die Landespolitik sollte daher hier der Fährlinie Unterstützung zukommen lassen und weiterhin dem Bund gegenüber mit Nachdruck signalisieren, dass der Ausbau der A20 benötigt wird.“