„Die Resilienz des Standortes Deutschland ist auch eine Aufgabe der Wirtschaft und damit eines jeden Unternehmens.“ Das sagte Dr. Rainer Kambeck, Bereichsleiter Wirtschafts- und Finanzpolitik, Mittelstand der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), vor den Mitgliedern der Vollversammlung der IHK zu Lübeck und Gästen. Er war aus Berlin in die Hansestadt gekommen, um gemeinsam mit Dr. Sönke Schulz, Staatssekretär im Ministerium für Inneres, Kommunales, Wohnen und Sport des Landes Schleswig-Holstein, und Oberst Michael Skamel, Kommandeur des Landeskommandos Schleswig-Holstein, über das Thema „Sicherheitspolitik: Chancen und Herausforderungen für die Wirtschaft“ zu diskutieren.
IHK-Präses Thomas Buhck betonte, ehrenamtlich in der IHK engagierte Unternehmer hätten vor einiger Zeit den Impuls gegeben, den intensiven Austausch über das Thema Sicherheit der Wirtschaft auf die Agenda in Land und Bund zu bringen. So bearbeite konsequenterweise eine IHK-Arbeitsgruppe Sicherheitspolitik diesen Schwerpunkt in Schleswig-Holstein im engen Austausch mit einer Vielzahl zuständiger Stellen. Weitere Kooperation gebe es norddeutschlandweit in der IHK Nord und bundesweit in der DIHK. Das Referat Verteidigungspolitik und Kooperation mit der Bundeswehr ist im Bereich von Rainer Kambeck angesiedelt. Es sei daher konsequent gewesen, den Experten zum Dialog mit der Vollversammlung einzuladen, so Buhck.
Unternehmen könnten vor allem mit Drohnentechnik, Cybersecurity und Logistik die Resilienz des Landes stärken. „Aber gerade mittelständische Unternehmen müssen wir darüber informieren und dafür sensibilisieren, dass die Beschaffung von Sicherheitstechnologie auch erhebliche Chancen bietet“, so Kambeck. „Die Resilienz des Standortes werden wir nur erhöhen können, wenn wir auf allen Verwaltungsebenen das Tempo erhöhen, das gilt auch für die Vergabeverfahren.“ Dabei würde sich gerade die IHK-Organisation dafür einsetzen, den Mittelstand bei der Vergabe von Aufträgen zu berücksichtigen – bei den großen Aufträgen in der Regel in von Konzernen geleiteten Konsortien.
Staatssekretär Schulz betonte die besondere Bedeutung der Unternehmen für die Gesellschaft. „Diese spielen bei der Resilienz eine Schlüsselrolle“, sagte er, denn die Wirtschaft stelle Arbeitsplätze und stehe für Normalität und Verlässlichkeit in Krisen: „Für die Gesellschaft ist eine reibungslos laufende Wirtschaft eine essenzielle Grundlage für Sicherheit.“ Es sei der über viele Jahre aufgebauten „Friedensdividende“ geschuldet, dass viele Krisenvorsorge-Planungen ausgesetzt waren. „Wir müssen als Schleswig-Holstein handlungsfähig sein. Im Laufe des kommenden Jahres müssen wir konkrete Meilensteine definieren und festlegen, wer genau wann was zu tun hat“, kündigte Schulz an, in dessen Ministerium die Task Force Zivile Verteidigung aus Vertretern des Ministeriums, der Polizei, der Bundeswehr, der Feuerwehr und weiteren Blaulichtorganisationen, aber auch der IHKs an Plänen für die Gesamtverteidigung und damit den Schutz des Landes, der Regierungsfähigkeit, der Bevölkerung und der Wirtschaft arbeitet.
Auch aus Sicht der Bundeswehr werde mehr Tempo in vielen Prozessen angestrebt, sagte Oberst Skamel. Entsprechende Aufträge des Verteidigungsministers seien dazu auf den Weg gebracht. „Wir sind nicht im Krieg. Wir sind aber auch nicht mehr im Frieden, sondern in einer sehr ernsten Bedrohungssituation.“ Außer der Steigerung der Einsatzbereitschaft der Streitkräfte komme es im Sinne eines gesamtstaatlichen Ansatzes unter anderem auch auf den Ausbau der Verkehrsinfrastruktur an. Diese sei auch für die militärische Operationsführung unverzichtbar. So wäre zum Beispiel der Lübecker Hafen ohne adäquate Hinterlandanbindung in seiner möglichen Leistungsfähigkeit eingeschränkt“, betonte der Kommandeur, der die Landesregierung in Fragen der zivil-militärischen Zusammenarbeit berät. Auch das Militär benötige mehr denn je ein Netzwerk leistungsfähiger Verkehrsträger mit gut ausgebauten Straßen, Schienen und Seehäfen. Über die „Drehscheibe Deutschland“ würde die NATO Truppen nach Osten verlegen, sofern es erforderlich sei. Die Details regle der geheime „Operationsplan Deutschland“. Skamel: „Die Synchronisation von ziviler und militärischer Verteidigung ist der Schlüssel für eine glaubwürdige Abschreckung. Sie ist unverzichtbare Voraussetzung für die Wehrhaftigkeit Deutschlands.“
Chancen für den Mittelstand und Start-ups sehe Oberst Skamel in innovativen Bereichen wie Drohnentechnik und IT-Sicherheit. Eine Herausforderung könne allerdings beim Personal liegen. Sollte die Bundeswehr Reservisten einberufen, fehlen in den Unternehmen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Er rief die Unternehmer daher dazu auf, für diese Fälle Pläne zu entwickeln. Das gelte nicht nur für Spannungsfälle und Krieg, sondern auch für Katastrophen, denn viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter engagieren sich auch bei der Freiwilligen Feuerwehr, dem Technischen Hilfswerk, dem Deutschen Roten Kreuz oder anderen Hilfsorganisationen und würden im Einsatzfall im Betrieb ausfallen.
Der Dialog mit dem Innenministerium und der Bundeswehr gab den Mitgliedern der Vollversammlung viele Impulse, die eigene Vorbereitung auf Krisen zu prüfen. Die Unternehmerinnen und Unternehmer waren zu ihrer abschließenden Sitzung 2025 unter der Leitung von Thoma Buhck in der IHK zu Lübeck zusammengekommen. Zu Beginn verpflichtete der Präses den Lübecker Unternehmer Martin Mehl als neues Mitglied. Mehl gehörte dem höchsten Beschlussorgan der IHK bereits von 2010 bis Ende 2021 an. Jetzt rückte er für ein ausgeschiedenes Mitglied nach.
