Bad Segeberg. Die Situation ist in vielen Unternehmen ähnlich: Die Kündigung ist ausgesprochen, das Arbeitsverhältnis läuft in der Kündigungsfrist aus – und nur kurze Zeit später liegt eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU) auf dem Tisch. Oft deckt sie zufällig genau die restliche Kündigungsfrist ab. Für viele Arbeitgeber drängt sich dann die Frage auf: Ist das Zufall oder Missbrauch? Und vor allem: Muss ich als Arbeitgeber jetzt wirklich Entgeltfortzahlung leisten?
Die Rechtsprechung hat sich in den letzten Jahren intensiv mit der Krankschreibung nach Kündigung beschäftigt und den Handlungsspielraum für Arbeitgeber spürbar erweitert. Verschiedene Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts (BAG) und der Landesarbeitsgerichte konkretisieren, wann der Beweiswert einer AU erschüttert ist und unter welchen Umständen die Lohnfortzahlung verweigert werden kann.
Für Arbeitgeber lohnt sich daher ein genauer Blick auf dieses „Dauerbrenner-Thema“ im Arbeitsrecht.
1. Grundsatz: Krankschreibung nach Kündigung ist nicht automatisch verdächtig
Zunächst gilt ein wichtiger Ausgangspunkt: Eine Krankschreibung nach Kündigung ist grundsätzlich zulässig.
Das Arbeitsverhältnis besteht während der Kündigungsfrist fort. Wird der Arbeitnehmer in dieser Zeit arbeitsunfähig krank, greift zunächst der Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall – in der Regel für bis zu sechs Wochen.
Die ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung hat nach ständiger Rechtsprechung einen hohen Beweiswert:
- Sie ist zunächst der gesetzlich vorgesehene Nachweis der Arbeitsunfähigkeit.
- Der Arbeitgeber muss sie grundsätzlich akzeptieren und Entgeltfortzahlung leisten, solange keine konkreten Zweifel bestehen.
Für Arbeitgeber heißt das: Nur das „ungute Bauchgefühl“ reicht nicht, um die AU zu ignorieren.
2. Wann die Krankschreibung nach Kündigung misstrauisch machen darf
In den letzten Jahren haben sich mehrere Entscheidungen mit genau der Konstellation beschäftigt, die vielen Arbeitgebern bekannt vorkommen dürfte:
Kündigung – und „postwendend“ eine Krankschreibung, die exakt bis zum Ende der Kündigungsfrist reicht.
Nach der Rechtsprechung kann eine solche „passgenaue Krankschreibung“ ein ernstzunehmendes Indiz dafür sein, dass die Arbeitsunfähigkeit möglicherweise nur vorgetäuscht ist.
Besonders kritisch wird es aus Sicht der Gerichte, wenn:
- die Krankschreibung unmittelbar nach Zugang der Kündigung erfolgt,
- der Zeitraum der AU lückenlos die gesamte Kündigungsfrist abdeckt und
- der Arbeitnehmer direkt im Anschluss nahtlos in einem neuen Job startet.
Kommen solche Umstände zusammen, kann der Beweiswert der AU erschüttert sein – mit der Folge, dass der Arbeitnehmer im Prozess selbst beweisen muss, dass er tatsächlich arbeitsunfähig war.
3. Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung – und Beweislast des Arbeitgebers
Wichtig für Arbeitgeber: Die AU ist kein „sakrosanktes Dokument“ mehr, das in jedem Fall unangreifbar wäre. Die Rechtsprechung stellt aber klare Anforderungen:
- Der Arbeitgeber muss konkrete Tatsachen darlegen können, die Zweifel an der Richtigkeit der AU begründen.
- Bloße Vermutungen oder allgemeine Erfahrungen („Der meldet sich immer krank, wenn es schwierig wird“) reichen nicht aus.
Ist der Beweiswert erschüttert, dreht sich die Beweislast:
- Zunächst muss der Arbeitgeber Indizien aufzeigen (z. B. passgenaue Krankschreibung nach Kündigung).
- Gelingt das, muss der Arbeitnehmer substantiiert darlegen und ggf. beweisen, dass er tatsächlich arbeitsunfähig war – etwa durch ergänzende ärztliche Auskünfte oder Zeugen.
Für Arbeitgeber ist das eine entscheidende Chance, sich gegen missbräuchliche Krankschreibungen zu wehren.
4. Typische Verdachtsmomente aus Sicht des Arbeitgebers
Folgende Konstellationen können – je nach Gesamtumständen – Zweifel an der Krankschreibung nach Kündigung begründen:
- Zeitliche Punktlandung
Die AU beginnt exakt am Tag der Kündigung oder unmittelbar am Folgetag und endet genau mit dem Ablauf der Kündigungsfrist („passgenaue Krankschreibung“). - Nahtloser Jobwechsel
Unmittelbar nach dem Ende der Krankschreibung nimmt der Arbeitnehmer eine neue Tätigkeit auf – häufig sogar ohne Übergangszeit. - Vorgeschichte im Arbeitsverhältnis
Es gab kurz davor Streit, etwa wegen abgelehntem Urlaub, Abmahnungen oder Konflikten über die Arbeitszeit. In einzelnen Fällen wurde anerkannt, dass dies in Verbindung mit einer „auffälligen“ AU den Beweiswert schwächen kann. - Widersprüchliches Verhalten des Arbeitnehmers
Der Arbeitnehmer äußert vor Kollegen oder Vorgesetzten, er werde sich „jetzt krank schreiben lassen“, erscheint in sozialen Medien sehr aktiv oder nimmt Tätigkeiten wahr, die mit der behaupteten Arbeitsunfähigkeit schwer vereinbar sind (z. B. körperlich anstrengende Hobbys bei angeblichem Rückenleiden).
Entscheidend bleibt stets die Gesamtwürdigung des Einzelfalls – einzelne Indizien genügen meist nicht, in der Kombination sind sie aber häufig belastbar.
5. Welche Handlungsmöglichkeiten haben Arbeitgeber konkret?
a) Dokumentation von Auffälligkeiten
Sobald nach einer Kündigung eine Krankschreibung eingeht, sollten Arbeitgeber strukturiert vorgehen:
- Zugang der Kündigung und AU genau dokumentieren (Datum, Uhrzeit, Inhalt).
- Auffällige Umstände schriftlich festhalten (z. B. vorherige Gespräche, Aussagen des Mitarbeiters, Verhalten).
Diese Dokumentation bildet später die Grundlage, um im Streitfall den Beweiswert der AU zu erschüttern.
b) Prüfung der Entgeltfortzahlung
Stehen ernsthafte Zweifel im Raum, kann – nach sorgfältiger Prüfung – erwogen werden,
- die Entgeltfortzahlung zu verweigern und
- sich auf den erschütterten Beweiswert der AU zu berufen.
Das ist rechtlich riskant: Stellt ein Gericht später fest, dass doch Arbeitsunfähigkeit vorlag, kann der Arbeitgeber zur Nachzahlung verpflichtet werden. Daher empfiehlt sich hier unbedingt vorherige Beratung durch einen Fachanwalt für Arbeitsrecht.
c) Einschaltung des Medizinischen Dienstes (MD)
Bei gesetzlich versicherten Arbeitnehmern besteht die Möglichkeit, über die Krankenkasse eine Prüfung der Arbeitsunfähigkeit durch den Medizinischen Dienst anzustoßen.
Dies ersetzt zwar nicht den Prozess, kann aber:
- den Arbeitnehmer sensibilisieren,
- zusätzliche medizinische Erkenntnisse liefern und
- die eigene Position stärken, falls es später zu einem Gerichtsverfahren kommt.
d) Mitarbeitergespräch und Stellungnahme einholen
In manchen Fällen kann schon ein sachliches Gespräch oder die Bitte um eine schriftliche Stellungnahme des Mitarbeiters helfen, die Situation zu klären. Arbeitgeber sollten dabei:
- neutral und wertschätzend bleiben,
- keine „Drohkulisse“ aufbauen,
- aber klar kommunizieren, dass die Umstände Fragen aufwerfen.
e) Weitergehende Schritte bei nachweislichem Missbrauch
Steht fest, dass ein Mitarbeiter seine Arbeitsunfähigkeit nur vorgetäuscht hat, kommen neben der Verweigerung der Entgeltfortzahlung auch arbeitsrechtliche Sanktionen in Betracht:
- Abmahnung
- ordentliche verhaltensbedingte Kündigung
- in schweren Fällen sogar außerordentliche fristlose Kündigung sowie ggf. Strafanzeige wegen Betrugs, wenn Lohnfortzahlung erschlichen wurde.
6. Sonderfälle: Vorherige Krankheit, Eigenkündigung, befristete Verträge
Krankheit schon vor der Kündigung
War der Arbeitnehmer bereits vor der Kündigung krankgeschrieben, gelten im Grundsatz die üblichen Regeln der Entgeltfortzahlung, u. a. die 6-Wochen-Grenze bei derselben Erkrankung.
Krankschreibung nach Eigenkündigung
Auch bei Eigenkündigungen kommt es häufig zu Krankschreibungen bis zum Ende der eigenen Kündigungsfrist. Hier gelten die gleichen Grundsätze zum Beweiswert – auch in dieser Konstellation hat die Rechtsprechung den Arbeitgebern mehr Angriffsmöglichkeiten eingeräumt, wenn der zeitliche Zusammenhang „zu perfekt“ ist.
Befristete Arbeitsverhältnisse
Läuft ein befristeter Vertrag aus, endet der Entgeltfortzahlungsanspruch mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses. Eine Krankschreibung kann den Ablauf der Befristung grundsätzlich nicht verlängern.
7. Praxistipps für Arbeitgeber: So richten Sie sich professionell auf Krankschreibungen nach Kündigung ein
Um rechtssicher und zugleich pragmatisch zu handeln, sollten Arbeitgeber folgende Punkte in ihre internen Prozesse aufnehmen:
- Klare Richtlinien zum Umgang mit AU-Bescheinigungen, insbesondere im Zusammenhang mit Kündigungen.
- Sensibilisierung von HR und Führungskräften für typische Risikokonstellationen (passgenaue AU, nahtloser Jobwechsel, auffällige Vorgeschichte).
- Standardisierte Checklisten, wann Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit geprüft werden sollen.
- Frühzeitige Einbindung eines Rechtsanwalts für Arbeitsrecht, sobald der Arbeitgeber ernsthaft erwägt, die Entgeltfortzahlung zu verweigern oder arbeitsrechtliche Konsequenzen zu ziehen.
So lassen sich unnötige Prozesse und teure Fehlentscheidungen vermeiden.
8. Fazit: Krankschreibung nach Kündigung ist beherrschbar – mit der richtigen Strategie
Für Arbeitgeber ist die Krankschreibung nach Kündigung kein bloßes Ärgernis mehr, das man zähneknirschend hinnehmen muss. Die aktuelle Rechtsprechung bietet durchaus Möglichkeiten, zweifelhafte AU-Bescheinigungen anzugreifen und die Entgeltfortzahlung in begründeten Fällen zu verweigern.
Entscheidend ist, dass Sie:
- Auffälligkeiten konsequent dokumentieren,
- den Einzelfall sorgfältig prüfen und
- frühzeitig fachkundigen Rat durch einen Rechtsanwalt für Arbeitsrecht einholen.
So lassen sich Missbrauchsfälle effektiv begrenzen – ohne das Risiko, sich in langwierigen und kostspieligen Auseinandersetzungen zu verlieren.
Hinweis: Dieser Beitrag wurde unter Einsatz von KI-Unterstützung erstellt und anschließend redaktionell überarbeitet. Er dient lediglich der allgemeinen Information und ersetzt keine rechtliche Beratung im Einzelfall. Für eine verbindliche Einschätzung oder konkrete Handlungsempfehlungen sollten Sie einen qualifizierten Rechtsanwalt für Arbeitsrecht konsultieren.
