Die Stimmung in der Wirtschaft trübt sich ein. Waren im Hansebelt bis zum Sommer noch Optimismus und Vertrauen in den politischen Kurs vorherrschend, fehlt es den Unternehmen zunehmend an Zuversicht. „Diese Erkenntnis ergibt sich aus persönlichen Gesprächen mit unseren Mitgliedern und aus unseren Konjunkturumfragen“, sagt Thomas Buhck, Präses der IHK zu Lübeck. Nach fast sechs Jahren Dauerkrisen fehlt es an wirksamen Impulsen für nachhaltiges Wachstum.
„Unsere Wirtschaft benötigt dringend echte Reformen zum Abbau bürokratischer Pflichten und Hemmnisse, vor allem der hohen Abgaben und Steuern“, so Buhck. Ebenso wichtig seien Verlässlichkeit in den politischen Entscheidungen und im Verwaltungshandeln, damit die Unternehmen wieder für die Zukunft planen können. Sein Appell richtig sich vor allem an die Bundesregierung und die Europäische Union, deren Entscheidungen große Auswirkungen auf die Wirtschaft haben. Und es sei auch nicht einsehbar, dass in diesem Spannungsfeld regelmäßig die Anwendung von europäischen Vorgaben zu einer Verschärfung der Vorschriften in Deutschland führt. Dies ergibt nicht hinnehmbare Nachteile für die deutsche Wirtschaft im europäischen Wettbewerb.
Dennoch seien Lage und Stimmung im Hansebelt noch weitgehend besser als in den industriellen Zentren in Süddeutschland. Buhck: „Unsere Unternehmensstruktur im Norden ist mittelständisch geprägt, wir sind dadurch resilienter und durch einen guten Mix aus Handel, Dienstleistung und Industrie haben wir weniger Klumpenrisiken.“ Vor allem der industrielle Mittelstand ist aufgrund seiner Größe, seiner Innovationskraft und seiner hohen Flexibilität national und international sehr gut aufgestellt. Die Exportzahlen blieben trotz der veränderten Zollpolitik in vielen Ländern weitgehend stabil und die Export-Informationsveranstaltungen der IHK seien gut gebucht. Auch die stabilen Daten des Arbeitsmarktes belegten die noch bestehende Auftragslage und das Verantwortungsbewusstsein des Mittelstands für ihre Mitarbeiter und die Region. „Nachdem der von der Bundespolitik angekündigte „Herbst der Reformen“ weitgehend ausgeblieben ist, fehlt aber auch unserer Wirtschaft immer mehr die Luft zum Atmen“, warnt Buhck.
Immerhin böten die Sondervermögen des Bundes die Chance auf Impulse für die Wirtschaft. „Es kommt jetzt allerdings darauf an, die dem Bund und den Ländern zur Verfügung stehenden Mittel gezielt zu verwenden, damit nachhaltig Wachstum entsteht, dass dann auch dazu beiträgt, die massiven Schulden des Bundes abzubauen“, betonte der Präses. Er mahnte zugleich, mutig Reformen bei der Alters- und Gesundheitsvorsorge anzugehen, um den Sozialstaat zu entlasten sowie die Lohnkosten für Unternehmen und Beschäftigte zu senken. „Mit Entschlossenheit und Courage können wir unseren Staat reformieren und zu der alten Stärke zurückkehren, die wir dank der sozialen Marktwirtschaft erreicht hatten.“ Sollten die Effekte aus den Programmen der Regierung verpuffen, droht Deutschland der Abstieg aus der Liga der größten Volkswirtschaften der Welt.
Mit der Büsumer Liste haben die norddeutschen Länder die aus Ihrer Sicht wichtigsten Verkehrsprojekte für Norddeutschland vorgelegt. Leider fehlt der Ausbau des Elbe-Lübeck-Kanals. „Dafür fehlt uns das Verständnis“, sagte IHK-Hauptgeschäftsführer Lars Schöning. „Diese Wasserstraße hat einen großen Nutzen für das Gelingen der Verkehrswende und eine steigende Bedeutung für die Drehscheibe Deutschland im Zuge der geostrategischen Entwicklungen.“ In diesem Zusammenhang werde auch der Lübecker Hafen wichtiger, aber auch ein Ausbau seiner Anbindung an das Straßen- und Schienennetz scheine aus Sicht der Politik nicht erforderlich zu sein. „Auch im neuen Jahr werden wir unseren gesetzlichen Auftrag der Interessenvertretung und Politikberatung weiter intensiv erfüllen und im Dialog mit der Politik auf den Ausbau dieser Infrastruktur drängen“, kündigte Schöning an.
Erfreulich sei die Entwicklung bei der Autobahn A20. Nach 15 Jahren sei nun endlich ein Ende des Dauerstaus und der Belastung von Menschen und Umwelt in Bad Segeberg in Reichweite, so Schöning. „Der Stillstand war unerträglich und kein Aushängeschild für unser Land. Diese Austobahn hat als West-Ost-Verbindung aber mittlerweile eine strategische Dimension erreicht, weil sie nach ihrer Fertigstellung die ‚Drehscheibe Deutschland‘ stärkt.“
Beim Bau des Fehmarnbelt-Tunnels zeichneten sich zuletzt Verzögerungen ab. Schöning: „Auch dieses Projekt muss endlich auf die Zielgerade kommen. Aber ein kleiner Zeitgewinn ermöglicht es uns, auf deutscher Seite alle Anschlüsse zu vollenden und hoffentlich den Fehmarnsund-Tunnel zeitgleich mit den anderen Abschnitten fertigzustellen. Hier muss die deutsche Seite rechtzeitig liefern.“ Die Stimmung für dieses Jahrhundertprojekt sei gut, wie die IHK als Mitveranstalterin der Fehmarnbelt Days im vergangenen Juni In Lübeck erfahren hat: „Auf dem Bürgerfest rund um die Musik- und Kongresshalle haben wir gemeinsam rund 20.000 Menschen informiert und für das Projekt begeistert. Auch die Fachkonferenz war ein Erfolg und belegte einmal mehr, wie wichtig diese Verbindung ist“, ergänzt Schöning.
Zur Stärkung des Schienengüterverkehrs in Schleswig-Holstein ist im vergangenen Sommer das gemeinsame Projekt „Railcoach Schleswig-Holstein“ der IHK Schleswig-Holstein, der Logistik Initiative und des Landes Schleswig-Holstein gestartet. Aufgabe der zentralen, anbieterneutralen Anlaufstelle ist die Erstberatung in Verlagerungsfragen von Gütern von der Straße auf die Schiene und in Fragen zur Reaktivierung von Gleisanschlüssen.
Die IHK zu Lübeck hat ihre Rolle als zentrale Anlaufstelle für Gründerinnen und Gründer weiter gestärkt, vor allem durch kontinuierliches Werben für das Thema Existenzgründung, persönliche Beratung sowie die regelmäßige Unterstützung bei der Planung und Verwirklichung von Gründungsvorhaben. 2025 organisierte die IHK zu Lübeck mehr als 15 Informationsveranstaltungen zu relevanten Gründungsthemen und das Fachteam führte darüber hinaus über 1.000 Existenzgründungs-Erstberatungsgespräche. Diese Aktivitäten will die IHK auch 2026 fortsetzen. Schöning: „Auch unsere Bedeutung als zentrale Ansprechpartnerin für Unternehmensübernahmen in Schleswig-Holstein haben wir ausgebaut. In gut besuchten Nachfolge-Informationsveranstaltungen sowie monatlichen Finanzierungssprechtagen und mit der Kommunikationskampagne ‚Übernehmen statt neu gründen‘ werben wir verstärkt für erfolgreiche Nachfolgen im Hansebelt.“
Durch die Rückkehr zu G9 an den weiterführenden Schulen fällt im Jahr 2026 ein Abiturjahrgang aus, der dem Ausbildungsmarkt nicht zur Verfügung steht. Die IHK unterstützte die Unternehmen dabei, ihre freien Ausbildungsplätze zu besetzen. Unter anderem ist eine Ausweitung der bisher auf die Region Lübeck beschränkte Ausbildungs-Rallye auf weitere Teile des IHK-Bezirks vorgesehen. Die Verleihung der Auszeichnung „TOP-Ausbildungsbetrieb“ an fünf besonders engagierte Unternehmen, die mit innovativen Konzepten die duale Ausbildung aktiv fördern, hat sich erneut als gute Werbung für die Ausbildung erwiesen. „Diese Aktion führen wir 2026 fort“, kündigt Schöning an.
Zudem lädt die IHK zu zwei zentralen Veranstaltungen ein: „Mit einem Blick auf die Chancen und Herausforderungen in den Weltmärkten starten wir in das neue Jahr: Der Bundestagsabgeordnete und Außenminister Dr. Johann Wadephul ist Festredner auf unserem Neujahrsempfang am 14. Januar 2026 in Lübeck und wird die Auswirkungen der geopolitischen Veränderungen auf die Wirtschaft in Norddeutschland und im Hansebelt im Besonderen erläutern“, sagt Präses Buhck. Zur größten wirtschaftspolitischen Veranstaltung in Schleswig-Holstein erwartet er mehr als 1.000 Gäste aus Wirtschaft, Politik, Verwaltung und öffentlichem Leben. Ebenso viele Teilnehmer dürften die ganztägige 13. IT4B Digital Summit am 24. Juni 2026 in der Lübecker Kulturwerft Gollan besuchen. Schwerpunkte der Messe mit Kongress-Anteil sind Live-Demos, Experten-Talks und Impulse rund um die Themen KI, Marketing und Cyber-Security.
Foto: IHK/Kollmeier
