Hamburg (em/ab) Ein Kernelement der Einfachheit ist das Vertrauen. „Vertrauen ist ein Mechanismus zur Reduktion von Komplexität“ (Soziologe Niklas Luhmann). Vertrauen aber braucht Begleitung durch Kontrolle. Vertrauen ohne Kontrolle wäre naiv und verantwortungslos. Kontrolle heißt nicht Misstrauen. Kontrolle ist ein Führungsinstrument, das oft sträflich vernachlässigt wird.
Autonomie und Verantwortung
Autonomie ist die Freiheit zum Entscheiden und Handeln. Autonomie und Verantwortung machen leistungsfähiger und schneller. Autonomie und Verantwortung sind die Grundbedingungen für eine sichere und effiziente Organisation, nämlich für die Dezentralisation und Delegation. Übertragen werden Zuständigkeitsbereiche sowie die damit zu verbindende Machtbefugnis zum Entscheiden und Handeln. Zur Autonomie gehört die Verantwortung. Heraus aus dem Verstecken in der Anonymität und hin zu Klarheit, zu verantwortlicher Zuständigkeit. Die Frage, die sich jeder einzelne stellen muss, lautet: Was ist meine Aufgabe, was sind meine Befugnisse und was ist meine Verantwortung? Eine wunderbare Unternehmens- und Organisationskultur begründet sich auf einer „Leitkultur der Verantwortung“ und regelt Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortungen in Stellenbeschreibungen. Das schafft die notwendige Klarheit für alle. Der Clou von Autonomie ist die Schaffung von Freiraum für die Mitarbeiter. Das ist eine Bereicherung des Arbeitsplatzes. Für leistungsfähige und leistungswillige Menschen wirkt das motivierend und leistungssteigernd. Autonomie bewirkt eine Entzerrung und Entflechtung der Aufgaben und Themen. So wird sie maßgeblich für Vereinfachung und die Beherrschung von Komplexität. Eine echte Übertragung von Autonomie und Verantwortung jedoch ist nur möglich, wenn das mit vollem Vertrauen in die Person verbunden ist. Es gibt so etwas wie eine Vereinbarung: das ist Deine Sache, ich mische mich nicht ein. Es gibt kein Misstrauen. Oft aber bleibt man misstrauisch, weil man kein Risiko eingehen will. Gemeint ist dann auch eine in der Regel diffuse eigene Verantwortung: „Als Chef bin ich für alles verantwortlich.“ Das wäre eine falsche, antiquierte Auffassung von moderner Führung mit Delegation. Glaubwürdigkeit und Berechenbarkeit sind die Grundlagen von Vertrauen. Ein Vorgesetzter muss für seine Mitarbeiter glaubwürdig sein. Das erst macht seine eigene Stärke aus. Das macht auch den Vorgesetzten selbstsicher. Dezentralisation und Delegation heißt: Macht abgeben und Verantwortung übertragen. Wirkliche und konsequente Delegation braucht souveräne Vorgesetzte und Firmenleitungen, die bereit sind, Macht abzugeben. Nur Souveräne können loslassen. Das oft zitierte sogenannte „gesunde Misstrauen“ ist ein Vorwand, ein Trugschluss. Vertrauensfähigkeit ist eine Tugend, eine soziale Kompetenz. Vertrauen setzt die Kenntnis der Gefahren des Lebens, der Unzulänglichkeiten, der Unzuverlässigkeiten anderer voraus. Doch es gilt der Satz des Jesuitenpaters und Moralphilosophen Rupert Lay: „Manager, die kein Vertrauen aufbauen können, haben auch keinen ökonomischen Erfolg.“ Die Grenze der Risikobereitschaft muss da liegen, wo das Wesen und die Existenz eines Unternehmens gefährdet sind. Dort ist höchstes Misstrauen angebracht, denn es macht aufmerksam und aktiviert die Abwehrkräfte. Allerdings müssen die Aktivitäten in zielgerichtete, kontrollierte Handlungen münden.
Kontrolle begleitet Vertrauen
Die Redensart „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser“ ist dumm und falsch. Sie ist ungeeignet für das moderne Management und eignet sich besser zur Sklavenhaltung. Der Gedanke sollte sein: Kontrolle begleitet Vertrauen. Vertrauen ohne Kontrolle ist blindes Vertrauen. Kontrolle fördert Vertrauen, Kontrolle schafft Vertrauen. Damit nimmt Kontrolle auch Angst und fördert die Entwicklung von Mut und gibt Sicherheit. Kontrollsysteme sind oft unter der Annahme gestaltet, dass 90 Prozent der Leute faul sind und betrügen, lügen und stehlen. Es werden 95 Prozent demoralisiert, die wie Erwachsene handeln, weil Systeme errichtet werden, um sich gegen die 5 Prozent zu schützen, die wirklich bösartig handeln. Kontrolle ist ein einfaches und wirksames Mittel des Kontakts zwischen Chef und Mitarbeiter. Kontrolle in angemessener Form ist ein Mittel, über das Vorgesetzte die Leistungen ihre Mitarbeiter sehr gut wahrnehmen können. Kontrolle darf nicht der Fehlersuche und dem anschließenden Abstrafen dienen. Sie kann ausgeführt werden als ein Dialog zwischen Vorgesetztem und Mitarbeiter. Eine ziemlich gesicherte Erfahrung ist, dass nicht die Mitarbeiter die Kontrolle scheuen, sondern die Vorgesetzten Hemmungen haben, weil sie sich fachlich und führungsmäßig überfordert fühlen und die Arbeit als lästig empfinden. Kontrolle ist ein Dialog über Aufgaben und Ergebnisse, über Abweichungen von Vorstellungen, Einstellungen und Bewertungen verschiedenster Sachverhalte. Kontrolle sollte nur eine Stichprobenprüfung sein: Werden Regeln und Vorschriften eingehalten? Wie hat sich der Bereich des Mitarbeiters entwickelt? Welche Entscheidungen wurden in den letzten zwei Monaten getroffen? Wie ist der Stand von Entwicklungsprojekten, an denen der Mitarbeiter gerade arbeitet? Im Dialog wird grundsätzlich über alles geredet. Nichts bleibt unter dem Teppich, beide sind berechenbar. Ein praktischer Vorschlag an die Vorgesetzten: am Ende jedes Monats drei Stichprobenkontrollen auswählen und formulieren und sie im Folgemonat beim Mitarbeiter im Dialog prüfen. Gegenseitiges Vertrauen wird entwickelt. Kontrolle bestätigt Vertrauen. Kontrolle reduziert Komplexität. Mitarbeitern ist zuzurufen: „Bittet Eure Chefs um Kontrolle, sonst wissen diese gar nicht, wie gut Ihr seid.“