Hamburg (jhw/ls) Zurück in die Zukunft Die Vision von Bill Gates aus dem Jahr 1994: Manchmal ist ein Blick in die Zukunft unvorstellbar und völlig schräg. Bill Gates wagte es 1994 bei der COMDEX „Computer Dealer's Exhibition“ als Keynote Speaker. COMDEX war von 1979 bis 2003 nach der CeBit die zweitgrößte Computermesse der Welt. Da Bill Gates kein begnadeter Sprecher ist, ließ er einen Film produzieren, eben diesen: „Information at Your Fingertips (2005)“ Zurück in die Zukunft.
Erstaunlich was es in dem Film alles zu sehen gab. Tablets, Video on Demand, Smartphones und vieles von dem, was uns heute täglich umgibt. Warum habe ich gerade diesen Titel für die heutige Kolumne gewählt? Es wäre doch super, wenn wir von heute aus mal zehn Jahre vorausblicken könnten. Wir könnten sehen, wie sich die heute kritisch betrachteten Themen entwickelt haben. All die Themen wie: Information on Demand, Cloud Computing, Facebook, Social Media und so weiter. Wo stehen die in zehn Jahren? Immer häufiger habe ich das Gefühl, all die Skeptiker, die durch die Welt laufen, suchen immer etwas worüber sie kritisch schreiben können. So mit steigert sich ihr Wert als Kritiker. Kritiker ist ja ein durchaus ernst zu nehmender Beruf. Doch bremst die Dauerkritik nicht auch sehr viel aus? Die Debatte um die Sozialen Medien ist ein gutes Beispiel dafür. Wir sollten aufhören nur zu kritisieren. Wir sollten starten zu lernen, wie wir damit umgehen wollen!
Alles Pioniere ihrer Zeit
Als Verkäufer hätte ich 1994 gerne Information at Your Fingertips gehabt. Hatte ich 1994 schon ein Handy? Ja, ich hatte ein mobiles Telefon: ein Bosch Cartel M/T 8G2. Gefühlt fünf Kilo schwer und acht Watt Sendeleistung. Wow, 20 Jahre Mobiltelefonieren. Heute leben wir in der Welt der „Information at Your Fingertips“. Wir suchen nicht mehr, wir googlen. Wir telefonieren nicht nur, wir skypen auch. SMS ist WhatsApp. Die ganze Welt verändert sich rasant schnell. 1989, im Jahr des Mauerfalls, hat Tim Berners-Lee in einem ersten Entwurf das Web entwickelt, das hieß damals noch Mesh „Geflecht“. 1993 veröffentlichte Marc Andreessen einen Browser namens „Mosaic für X“, der später unter dem Namen Netscape Communicator weltberühmt wurde. Die wenigsten kennen heute noch die Namen von Tim Berners-Lee oder Marc Andreessen. Zurück in die Zukunft, die zwei haben schon wirkliche Pionierarbeiten geleistet. 1994 war das World Wide Web nur ein paar Insidern ein Begriff und selbst Bill Gates glaubte lange Zeit nicht an die Zukunft des World Wide Webs. Das hat der Firma Microsoft viel Geld und Kraft gekostet. Ich erinnere mich genau, da ich die Schlacht, ja die Schlacht, um den Browser selbst miterlebt habe. Ich arbeitete damals bei Netscape. Wer kennt heute noch Firmen wie AOL, Intershop nein nicht die Einzelhandelskette in der DDR Next oder SUN Microsystems? Alles Pioniere ihrer Zeit. Es sind jedoch oft nicht die ersten, die überleben und viel Geld verdienen. Es sind oft die zweite oder die dritte Generation, die das wirkliche Business versteht und Geld damit verdient. Kennen sie noch NOKIA, Weltmarktführer der Mobiltelefone, heute Smartphone Abteilung bei Microsoft. Das gilt übrigens auch für die Social Media, für die SMS Dienste und so weiter und so weiter.
Fiktive Zukunft reale Welt
Jetzt haben wir ein neues Phänomen, das Cloud Computing. Und wieder wird alles, gerade bei uns in Deutschland, sehr kritisch gesehen. Um uns herum leben alle bereits das Cloud Computing. Sie benennen es gar nicht mehr, sie nutzen es einfach. „Information at Your Fingertips“, schon lange kein Zurück in die Zukunft mehr, sondern reale Welt. Heute ist Teamarbeit wichtiger denn je. Die Information wer im Team wie weit mit seiner Aufgabe fortgeschritten ist, ist für jedes Teammitglied sofort ersichtlich. Das was wir im Mobiltelefon- Bereich seit Jahren für gut befinden und im heutigen Smartphone Zeitalter täglich nutzen stellen wir im Business-Bereich in Frage. Uns umgibt längst die Zukunft, die Cloud. Im Restaurant hat längst der Notizblock ausgedient, hier wird via Smartphone oder Tablett die Bestellung aufgenommen. Dann ist sie blitzschnell am Point of Sales und wird direkt verarbeitet.
Organisationen zurück holen!
Vertriebe die nicht punktgenau Auskunft geben können, sollten in Zukunft immer seltener anzutreffen sein. Das ist die Zukunft, die bei vielen bereits angekommen ist. „Information at Your Fingertips“ und das on Demand! Jetzt gilt es die Organisationen auch zurück in die Zukunft zu holen! In den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts waren die meisten Vertriebsorganisationen mit Geschäftsstellen aufgestellt. Jeder einzelne Vertriebsmitarbeiter erhielt ein Gebiet nach Postleitzahlen zugeteilt, das er zu bearbeiten hatte. Alle waren zeitnah beim Kunden. „Die Schnellen fressen die Langsamen“ war die Devise, die der damalig Vorstand von BMW, Eberhard von Kuenheim, ausgegeben hat. Das galt über alle Branchen hinweg. Daraus entwickelte sich eine immer größer Ausrichtung auf Key Accounts und Matrixorganisationen. Themen standen im Mittelpunkt. Ich erinnere mich: Ich habe aus der Geschäftsstelle Hamburg die Medien in Bereich DACH (Deutschland, Österreich und Schweiz) betreut. Aus heutiger Sicht der reine Wahnsinn. Damals haben wir sehr viele Lufthansa Meilen sammeln können. Ob die Organisationsform sinnhaft für das Geschäft war, das stelle ich aus heutiger Sicht sehr stark in Frage. Damals war es ebenso. Ich bin davon überzeugt, dass wir sehr viel Geschäft haben liegen lassen. „Der Schnelle frisst den Langsamen“, das ist die Devise, die ich heute wieder ausgeben würde. Wer in kurzer Zeit schnell beim Kunden sein kann der hat gewonnen. Meine größten Projekte habe ich durch kurze Wege zum Kunden, Wissen um die lokalen Belage und agieren auf Augenhöhe gewonnen. Da wird nicht verkauft da wird gemeinsam entwickelt. Und wenn der Auftrag noch nicht vergeben wird liegt es schlicht daran, dass die gemeinsame Entwicklung noch nicht abgeschlossen ist.
Geschäfte benötigen Menschen
Gerade heut Morgen musste ich daran denken welcher Herausforderung die Verkäufer bei einem Bahnstreik oder einem Flugstreik haben. Wie sollen dann vereinbarte Termine eingehalten werden? Absprachen verschieben sich nach hinten und der Projektabschluss, der Auftrag ebenfalls. Ich bin davon überzeugt, dass wir trotz aller technologischen Weiterentwicklung immer noch den Menschen, den Verkäufer vor Ort haben müssen. Um wirklich nachhaltig Geschäft zu machen benötigt es Menschen. Menschen die verkaufen beziehungsweise die dem Kunden zuhören was er denn gerade benötigt. Das geht halt nur auf der persönlichen Ebene, im direkten Gespräch, am besten. Die berühmten sieben Kontakten, die es benötigt um Vertrauen aufzubauen, die sieben Kontakte müssen persönliche Face to Face Kontakte sein. Die Telefonate, die zusätzlich erfolgen, zählen da nicht mit, das sind die Begleitmaßnahmen in der Vertrauensbildung. Das ist der Blumenstrauß, den wir der neu gewonnenen Freundin mitbringen, um ihr Wertschätzung zu zeigen und eine besondere Freude zu bereiten. Im Verkauf geht das genauso. Verkauf und Flirt hat vieles gemeinsam! Auch in dem Aufbau einer Beziehung komme ich durch Aufmerksamkeit und gefühlvolles Vorgehen zum ersten Rendezvous. Wie es danach weitergeht, ob es weitergeht, ob es ein weiteres Rendezvous gibt, liegt im persönlichen Verhalten. Schafft es der geneigte Kavalier Vertrauen aufzubauen oder nicht. Das ist die entscheidende Frage. Wie im Flirt, so im Verkauf.
Organisationen ändern
Zurück aus der Zukunft hin zum Jetzt. Organisationen müssen sich ändern. Wir müssen wieder näher ran rücken an unseren Kunden. Wir müssen sein gesamtes Umfeld kennen. Wir müssen in seiner Nähe sein. Um schnell reagieren zu können. Um mit meinem Kunden nachhaltig Geschäft zu machen. Das schnelle Online Business ist hier auch gefragt. Auch hier wird es wieder Annäherung an den Kunden geben müssen. Sonst haben die Anbieter schnell verloren. Nur die schreienden Rainer Langhans Kopien im Fernsehspot, bei einer neuen Schuhlieferung, werden langfristig und nachhaltig den Kunden nicht halten können. Wir benötigen die Nähe zum Kunden. Das gilt für alle Geschäftsbereiche.
Das haptische Einkaufs-Erlebnis
Der Blick in die Zukunft ist großartig, doch oft durch die eigene rosarote Technologie-Brille verklärt. Ich erwähnte meine Mitarbeit im Netscape Konzern. Wir zogen damals mit Prospekten und Folien durch die Lande, in denen wir das Ende des stationären Handels voraussagten. Das Gegenteil ist eingetreten. Wir suchen immer noch das haptische Einkaufs Erlebnis! Das Entwickeln von neuen Ideen! Und das im Spiegel betrachten, der neuen Klamotte! Dabei wollen wir von einer Kompetenten Verkäuferin beraten werden. Der Blick in die Zukunft ist immer wieder wichtig, sonst würde sich nichts weiterentwickeln. Und Bill Gates hat in dem Film schon ziemlich gut in die Zukunft projiziert. Da gilt es heute noch großen Respekt zu zollen. „Information at Your Fingertips“, ja auf jeden Fall, immer und überall. Jedoch immer gekoppelt mit dem Menschen, dem Verkäufer, der Vertrauensperson vor Ort. In dem Sinne, weiterhin happy selling! Viel Spaß beim Verkauf. Verkauf ist nicht alles. Ohne Verkauf ist alles nichts.
Foto: Jan H. Winter, ist Verkaufscoach, Kolumnist, Moderator und Redner. Sein Thema: Verkauf und Service zu der Anerkennung zu verhelfen, die ihnen gebührt. Der Verkaufs-Experte, nennt sich Verkaufs Rock n Roller und drückt damit sein Lebensgefühl und seine Einstellung zum Verkauf aus!