Norderstedt (ng) Jost de Jager stand im TÜV NORD Schulungszentrum gemeinsam mit Experten aus den Bereichen Schule, Bildung und Weiterbildung aus dem Kreis Segeberg Rede und Antwort.
Anja Fürstenberg (Schulelternbeiratsvorsitzende), Klaus Bostelmann (Leiter der VHS Norderstedt), Annerose Petersen (Weiterbildungsverbund Kreis Segeberg), Ramona Bücker (Leiterin des Förderzentrums der Volkshochschulen), Dr. Claus Frankenstein (Geschäftsführer TÜV NORD Schulungszentrum), Sven Boysen (Regenta Verlag) und Reinhard Schuh (privater Personalvermittler) diskutierten gemeinsam mit dem Wirtschaftsminister und Spitzenkandidat der Landtagswahl über die verschiedenen Elemente der Bildung.
„Das war ein ganz besonderes Gespräch, denn die Zusammensetzung der Diskussionsteilnehmer war sehr interessant und für alle Beteiligten weiterführend im Meinungsaustausch“, so Jost de Jager über den Vormittag. Getestet wurden vor Ort auch die Kandidaten bei der Führung eines Lkws im Rahmen einer Simulatorpräsentation für Berufskraftfahrer, die exklusiv in Norddeutschland vom TÜV NORD angeboten wird.
Sven Boysen: Deutschland ist das Land der Dichter und Denker. Wir haben keine pfiffigen Buchhalter wie Griechenland, keine Sonne wie Spanien, keine Legosteine wie Dänemark also bleibt uns nur das Gut Bildung. Sieht man sich einen mittelständischen Verlag an, so konnte man früher Realschüler mit einer 3 einstellen, heute muss es ein Abiturient mit einer 2 sein.
Jost de Jager: Wir müssen die Strukturen der gesellschaftlichen Realität anpassen. So ist zum Beispiel das Thema der rechtzeitigen Ausbildung und Integration von Kindern mit Migrationshintergrund schon in den Kindergärten und Grundschulen eine wichtige Grundlage für die spätere Leistungsfähigkeit des gesamten Klassenverbandes.
Anja Fürstenberg: Es gibt zwar ein Programm zum Thema Bildung für die Zukunft, aber das Problem ist: Die Kinder leiden jetzt, vor allem unter dem Lehrermangel, und sind die Lehrer den heutigen Kindern noch gewachsen?
Jost de Jager: Wir müssen vor Ort reagieren und dafür sorgen, dass zum Beispiel pensionierte Kräfte als Vertretung eingesetzt werden können. Vor allem müssen die zukünftigen Lehrkräfte an den gesellschaftlichen Wandel angepasst ausgebildet werden. Das ist ein Anachronismus: Es werden an den Universitäten Haupt- und Realschullehrer ausgebildet, obwohl es diese nicht mehr gibt. Zudem sind die Kinder anders als früher. Sie wachsen anders auf und sind anderen medialen Einflüssen ausgesetzt. Darauf müssen die Lehrkräfte natürlich auch vorbereitet und dementsprechend ausgebildet werden. Die Mittel gegen Unterrichtsausfall sollten verdoppelt, der Aufbau von Unterricht überdacht werden. So ist das Abspielen eines Films zum Beispiel kein erteilter Unterricht. Zudem soll es eine weitere Änderung geben: Ab April wird die Zuverdienstgrenze für pensionierte Lehrer flexibilisiert und der Vertretungsfond erhöht.
Ramona Bücker: Nicht nur die schulische Bildung gehört zur Bildungspolitik. Trotz erhöhter Nachfrage an Weiterbildung gibt es in dieser Richtung keine Bezuschussung.
Jost de Jager: In unserer haushaltspolitischen Welt kann man nicht sagen, dass alles, was Bedeutung hat, mehr Geld bekommt. Denn dieses Geld ist nicht vorhanden. Das heißt, wenn irgendwo erhöht wird, muss an einer anderen Stelle gekürzt werden. Es wäre sicherlich auch keine Lösung, dem Blinden das Blindengeld zu kürzen, um mehr in die Weiterbildung zu investieren. Um die Frage mit Blick auf die Zukunftssicherung zu beantworten, müsste es eine Haushaltssanierung geben.
Annerose Petersen: Der Weiterbildungsverbund hat eine gute Netzwerkstruktur aufgebaut, Qualität entsteht. Der Markt ist groß. Es gibt in Schleswig-Holstein ein großes Kursportal, dass über die Weiterbildungsverbünde organisiert ist. Ich kann nur daran appellieren, diese Struktur nicht zu zerschlagen. Dadurch gibt es die Möglichkeit, dass Leute weiter arbeiten und Schulabgänger weiter gefördert werden.
Jost de Jager: Das über die EU-Mittel finanzierte Kursportal ist sehr gut. Ich möchte in der Förderperiode der EU die Weiterbildungsträger besser unterstützen. Das wird dann aber an anderen Stellen wehtun.
**Dr. Claus Frankenstein:**Dass man die finanziellen Zuschüsse nicht ohne Weiteres erhöhen kann, ist verständlich. Aber es müsste meiner Meinung nach eine Flexibilisierung der Kombination dieser Zuschüsse geben. Man müsste sich mehr für die Arbeit von Alleinerziehenden einsetzen. Es ist für die Mütter schwer, einen Platz für die Kinderbetreuung zu bekommen und diesen dann auch zu finanzieren. Die Kinderbetreuung sollte mehr an den Arbeitsplatz gebunden werden, damit sich die Strukturen dort ständig der Notwendigkeit anpassen können.
Klaus Bostelmann: Ich bin nicht zufrieden mit dem Weiterbildungsgesetz, es gibt keine wirkliche Verbesserung.
Jost de Jager: Ich kann die Erwartungen an das Weiterbildungsgesetz gut nachvollziehen. Es gibt einen Wunsch nach einem Leistungsgesetz. Ich kann Ihnen keine zufriedenstellende Antwort geben. Der wesentliche Punkt ist allerdings, dass wir ein Qualitätssicherungsgesetz wollen. Ich bin der festen Überzeugung, dass die Weiterbildung an Bedeutung gewinnt und wir haben eine Vielfalt an Trägern der Weiterbildung.
Sven Boysen: Es gibt Einrichtungen, da lernen die Teilnehmer im ersten Jahr morgens aufzustehen und pünktlich zur Schule zu erscheinen. Wie viel geben wir für so eine Person aus, bevor sie in die Arbeitswelt geht? Was hat die CDU für einen Plan?
Jost de Jager: Meinen Sie, das viele Geld, das wir aufwenden, wäre für andere besser aufgewendet? Es ist schwierig an die Leute von heute heranzukommen, geben wir sie auf, gehen sie verloren. Vor drei Jahren, als die große Koalition auseinander brach, habe ich mir eine Kita angeguckt. Dabei ist aufgefallen, dass die größten Probleme von den Kindern verursacht werden, die die deutsche Sprache sprechen bzw. diese oftmals genauso große Problembereiter sind, wie andere.
Reinhard Schuh: Ein anderes Problem: Die Menschen kommen zur Agentur für Arbeit, gehen mit drei Angeboten von Zeitarbeitsfirmen heraus und wenn sie eines davon nicht annehmen, bekommen sie eine Sperre. Andererseits gibt es in den Agenturen freie Stellen von privaten Arbeitsvermittlern, die nicht verbreitet werden. Eine meiner Mitarbeiterinnen gibt Nachrichten an die Agentur, mit der Bitte zur Weitergabe an die Bewerber. Allerdings wissen etwa 90 Prozent dieser nicht, dass sie dort ein Postfach haben. Das heißt, die Nachrichten erreichen die Bewerber nicht. Des Weiteren verhindern die Vermittlungsgutscheine das Finden von Arbeit. Ein Mensch muss sechs Wochen arbeitslos sein, bis er einen Vermittlungsgutschein bekommt. Es muss anderes gehen. Wenn man private Vermittler auf dem Markt haben möchte, dann sollte man diese auch in die Agenturen einbinden.
Jost de Jager: Warum tut das Arbeitsamt das nicht?
Reinhard Schuh: Es liegt am System der Agentur. Sie schaffen es auch zeitlich nicht.
Jost de Jager: Momentan ist der Arbeitsmarkt sehr gut. Es ist erfreulich, dass sich die gute Konjunktur auf den Arbeitsmarkt niedergeschlagen hat. Aber auch hier: Für Verbesserung ist sicherlich noch deutlich Luft.
Foto: Von Links: Sven Boysen (Leiter Regenta-Verlag), Klaus Bostelmann (Leiter der VHS Norderstedt), Ramona Bücker (Leiterin des Förderzentrums
der Volkshochschulen), Annerose Petersen (Weiterbildungsverbund Kreis Segeberg), Katja Rathje-Hoffmann (MdL), Jost de Jager (Wirtschaftsminister und Spitzenkandidat der Landtagswahl), Dr. Claus Frankenstein (Geschäftsführer TÜV NORD Schulungszentrum), Anja Fürstenberg (Schulelternbeiratsvorsitzende), Kai Uwe Fischer (TÜV NORD Schulungszentrum) und Reinhard Schuh (privater Personalvermittler)