Hamburg (em/sh) Wir sind ja nicht das einzige Land auf der Welt, welches Probleme mit unternehmerischem Denken und Handeln hat. Kontinentaleuropa im Allgemeinen und noch mehr der gesamte, ehemalige Ostblock hat hier eine Schwäche. Wobei viele Länder, wie z.B. Polen und Tschechien, in den letzten Jahrzehnten eine enorme Lernkurve zeigen. Die deutschsprachige Welt hat eine besondere Macke zu dem Thema, die erst auf den zweiten Blick erkennbar ist. In den letzten sechs Jahren habe ich über 300 Vorträge zu diesem Thema gehalten und nach den meisten Veranstaltungen rege Diskussionen ausgelöst. Meine zentrale These: „Unternehmerisches Denken und Handeln kann jeder lernen“, löst viel Widerspruch aus und das ist gut so. Immer sage ich Menschen direkt: „Sie können es lernen“, wie von mir im Buch „Die Kunst des Feuermachens“ ausführlich beleuchtet.
Das Feedback auf diese These ist bei zwei Gruppen signifikant verschieden. Alle diversifizierten Nuancen berücksichtigt, kann ich folgende Simplifizierung als Fakt wiedergeben: Unternehmer, darunter auch Milliardäre, geben mir fast immer das Feedback: „Sie treffen genau den Kern von Unternehmertum. Das ist es.“ Angestellte, egal ob Manager oder Sachbearbeiter, geben mir gerne das Feedback: „Da fehlen noch Fakten, Sie müssten mehr Wissen vortragen.“ Was folgt daraus?
Wir Deutschen nennen es unternehmerisches Denken und Handeln. Einen solchen Begriff kennt die englischsprachige Welt z.B. nicht. Die beste Übersetzung ist: „Entrepreneurial Sprit.“ Auch wenn es das Gleiche meint, kommt ein ganz anderer Aspekt zum Tragen: Wir übersetzen das Wort „Denken“ oft mit Wissen, was fundamental der Realität entgegenspricht. Es geht nämlich nicht um Wissen, sondern um den „Spirit“, die tiefe innere Ausrichtung des Seins auf unternehmerisches Denken und Handeln. Wissen hilft uns da meistens nicht weiter, es blockiert eher, sofern der Mut fehlt.
Um es nochmal deutlich zu sagen: Nur weil wir etwas wissen, kommen wir noch lange nicht ins Handeln. Das Entscheidende ist der Spirit, unser Herz, die Ausrichtung. Genau das fehlt in der deutschen Version dieses Begriffes und meines Erachtens ist sie daher blutleer und kraftlos. Dies ist auch der Hauptgrund für die weltberühmte German Angst. Wir meinen, über das Denken das (Wirtschafts-) Leben in den Griff zu bekommen, als könnten wir unsere Kraftlosigkeit über Wissen bekämpfen. Deswegen kommt halt von vielen Angestellten das Feedback: „Ich muss mehr wissen“. Hier liegt auch eine der großen Wurzeln, warum „Motivationstrainer“ in Deutschland oft so extrem negativ betrachtet werden. Die Lebenslüge „Mehr Wissen“ wird direkt angegangen mit Sprüchen wie „Machen machst“ oder „Wo ein Wille ist, ist ein Weg“. Das beißt sich. Ich predige hier übrigens keinen Gegensatz, sondern ein großes UND. Ich bin Fan von gutem analytischem Denken UND einer starken Persönlichkeit.
Somit sind wir bei der Frage angekommen, wie Menschen sich dieses Feuer aneignen. Es ist klar: Unternehmerisches Denken und Handeln eignet sich niemand innerhalb einer kurzen Zeitperiode an. Das große Geheimnis ist die Eigenschaft, sich dem langjährigen Transformationsprozess zu stellen. Denn die wichtigsten Veränderungen vollziehen sich in der Tiefe unseres Charakters, bei unseren Werten, Einstellungen, Glaubenssätzen, Selbstverständnis sowie unserer Identität. Es verhält sich wie bei einem Handwerk, das Lehrjahre, Wanderschaft und Meisterzeit umfasst. Das darf und muss jede Generation und jede Person für sich immer wieder aufs Neue entdecken. Für mich entspricht dieser Mut einem Handwerk.
Zu jedem Handwerk gehören Lehrjahre, Wanderschaft und Meisterzeit. Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen. Diese Entwicklungszeit sollte man sich gönnen gerade auch wenn man im Management gearbeitet hat und denkt, man weiß worum es geht.
Der Nobelpreisträger Muhammad Yunus drückt es ähnlich aus: „Alle Menschen sind geborene Unternehmer. Einige bekommen die Chance, die Fähigkeiten zu entwickeln.“
Da in Westeuropa aus politischer, historischer und wirtschaftlicher Sicht fast ideale Bedingungen zur Entwicklung vom unternehmerischen Denken und Handeln gegeben sind, gehe ich hier der Frage nach der Chance nicht weiter nach. Mir ist voll bewusst, dass dies von Vielen anders gesehen wird. Es bleibt zum Schluss die Frage nach dem Wollen. Wollen wir uns diesem Prozess stellen und zu mutigen Menschen werden, die unternehmerisches Denken und Handeln atmen? Als Merksatz auf den Punkt gebracht: „Unternehmerisches Denken und Handeln muss man vor allem wollen.“