Neumünster (em) Die Stadtwerke Neumünster (SWN) haben sich ein ehrgeiziges Ziel gesteckt: Sie wollen in 12 Jahren – also bis 2035 – klimaneutral sein. Damit das funktioniert, haben sie alle Emissionen aus dem Jahr 2021 erfasst, eine Klimastrategie entwickelt und für die Umsetzung eine Transformations-Roadmap mit einem umfassenden Maßnahmenkatalog erstellt. „Wir werden unseren Beitrag zum Schutz des Klimas leisten. Das ist unser Anliegen, unser Wunsch aber auch unsere Verpflichtung “, informiert Michael Böddeker, Geschäftsführer bei den Stadtwerken Neumünster.

Er ergänzt: „Die Energiewende ist eine der größten Herausforderungen unserer Zeit. Wir tun vonseiten der Stadtwerke Neumünster deshalb, was wir können. Um diese Aufgabe zu meistern, braucht es jedoch die Anstrengung aller: der Stadt und ihrer Bürgerinnen und Bürger ebenso wie die entsprechenden politischen Rahmenbedingungen und neue technologische Entwicklungen.“ Am 28. Juli geht der kommunale Versorger mit interessierten Bürgerinnen und Bürgern bei einer Gesprächsrunde an der Waldbühne in den offenen Austausch zu seiner Klimastrategie.

Unterm Strich: Klimabilanz zeigt aktuellen Stand

Die Grundlage für jede Klimastrategie ist die Klimabilanz, auch Corporate Carbon Footprint genannt. Sie zeigt, in welcher Höhe über einen bestimmten Zeitraum klimarelevante Emissionen bei einem Unternehmen entstehen. Der international anerkannte Standard für die Erfassung von Emissionen ist das Greenhouse Gas Protocol. Dieser Standard legt fest, in welchen Bereichen (Scopes) die Emissionen erfasst werden. Direkte Emissionen (Scope 1) entstehen im Unternehmen selbst. Bei den Stadtwerken Neumünster sind es Emissionen aus der Energieerzeugung, dem Fuhrpark, den MBA LKW und der Busflotte sowie der Ausstoß von Klimagasen aus den weiteren Geschäftsbereichen wie Bad, Telekommunikation und Verwaltung. Indirekte Emissionen (Scope 2) entstehen außerhalb eines Unternehmens, zum Beispiel eingekaufte Energien. Vor- und nachgelagerte Aktivitäten in den Lieferketten (Scopes 3) umfassen beispielsweise den Erdgasvertrieb und den Stromhandel, den Einkauf sowie die Anfahrtswege der SWN-Mitarbeitenden. Im Basisjahr 2021 hat sich bei SWN der Ausstoß an klimaschädli-chen Gasen auf 525.000 Tonnen summiert. 60 Prozent davon entfallen auf die vor- und nachgelagerten Lieferketten, 40 Prozent auf die eigenen Geschäftstätigkeiten.

Zwischenziel bis 2030, klimaneutral bis 2035

Erstes Zwischenziel in der Zeitschiene zur Klimaneutralität ist das Jahr 2030. Bis dahin will SWN die Gesamtemissionen um 236.000 Tonnen CO2 und CO2-Äquivalenten im Vergleich zum Bezugsjahr 2021 verringern. „Das wird nicht einfach, aber mit unseren geplanten Maßnahmen können wir dieses Ziel in allen Scopes erreichen. Für die Finanzierung der Maßnahmen haben wir im vergangenen Jahr eine wesentliche Voraussetzung geschaffen: Durch den Verkauf unserer Anteile an der Neumünster Netz Beteiligungs-GmbH, starten wir mit einer guten Basis in die Umsetzungen der ersten Maßnahmen aus unserer Klimastrategie“, erklärt Michael Böddeker. Beim Zielpfad für die Klimastrategie orientiert sich SWN an dem höchsten wissenschaftlichen Standard, der Science Based Target Initiative (SBTI).

Bis 2035 will SWN genau dieses Ziel erreichen, die Emissionen um mindestens 90 Prozent zu senken. Im Einklang mit den SBTI-Zielen können die zehn Prozent Restemissionen durch Klimaschutzmaßnahmen neutralisiert werden. Die Stadtwerke arbeiten bereits an einer Initiative zur Wiedervernässung von Mooren in Norddeutschland. Wissenschaftlich spricht man dann von einer echten Netto-Null, also einer echten Dekarbonisierung. Juliane Michel, Leiterin nachhaltige Geschäftsentwicklung SWN, erläutert: „Um das Klima zu schonen, müssen entwässerte Moore, die einen sehr hohen CO2-Ausstoß haben, wieder vernässt werden. Bei der Wiedervernässung von Mooren wird der Grundwasserspiegel angehoben, bis am Ende die gesamte Torfschicht von Wasser bedeckt ist. Sobald der Kontakt zur Luft unterbrochen wird, enden die CO2-Emissionen.“

Der Fahrplan zur Klimaneutralität

Ihre Klimaziele erreichen die Stadtwerke Neumünster durch eine ganzheitliche Herangehensweise und ein großes Maßnahmenpaket: SWN baut die eigene Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien weiter aus. „Mit der Eröffnung unserer ersten eigenen Freiflächen-Photovoltaikanlage in Wasbek haben wir hier bereits im April den Startschuss für die Energiezukunft gegeben. Bis 2030 planen wir, den kompletten Strombedarf unserer Kundinnen und Kunden aus eigenem Ökostrom abzudecken“, informiert Michael Böddeker. Weitere Photovoltaik- und auch Windkraft-Projekte hat der Versorger bereits in der Planung. Im Bezugsjahr 2021 entstanden bei SWN durch den Stromhandel für Firmenkunden 86.000 Tonnen klimarelevante Gase. Privatkundinnen und Kunden beziehen bei SWN bereits ausschließlich Ökostrom, allerdings bisher noch nicht aus eigenen Anlagen.

Durch den externen Vertrieb von Erdgas entstanden 2021 bei SWN 140.000 Ton-nen CO2-Äquivalente. Die Emissionen aus dem Vertrieb von Erdgas entstehen, wenn das Gas bei den Kundinnen und Kunden verbrannt wird. Bei der Dekarbonisierung der Wärmeversorgung sind deshalb neben den Stadtwerken auch Bürgerinnen und Bürger mit Heizungsanlagen gefragt, die noch mit fossilen Energieträgern wie Öl oder Gas betrieben werden. „Die Wärmewende ist ein großer Hebel für den Klimaschutz. Fernwärme und Wärmepumpen sind zwei zukunftsfähige Optionen“, sagt Juliane Michel. SWN hat einen Fernwärmeatlas der Stadt Neumünster erstellt. Bürgerinnen und Bürger können online prüfen, ob an ihrer Adresse ein Fernwärmeanschluss bereits oder zukünftig möglich ist. SWN berät Kundinnen und Kunden, die an einer Wärmepumpe interessiert sind, und bieten mit sogenanntem Contracting eine umfassende Lösung ohne hohe Investitionskosten an.

Einer der Hauptverursacher von Emissionen bei den eigenen Geschäftsbereichen der Stadtwerke sind die Ersatzbrennstoffe aus Abfall, die in der Thermischen-Ersatzstoff-Verwertungsanlage (TEV) verbrannt werden. Ersatzbrennstoffe entstehen durch die Aufbereitung von Restmüll und anderen Abfällen, zum Beispiel Gewerbemüll oder Holzabfall. Juliane Michel informiert: „Die Verbrennung von Restmüll ist in Deutschland Pflicht und hat aus guten Gründen die mittlerweile verbotene Deponierung abgelöst.“ Sie fügt an: „Müll ist ein Energieträger, der hier vor Ort vorhanden ist und entsorgt werden muss. Also nutzen wir die Energie, die in ihm steckt, für die Wärmeversorgung. Die TEV arbeitet mit Kraft-Wärme-Kopplung, dadurch ist der Wirkungsgrad sehr hoch.“ Eine Möglichkeit von vielen, die SWN für die Zukunft prüft, ist, die TEV mit einem noch leistungsfähigeren CO2-Abscheider auszustatten. In der Erprobung sind bereits innovative Techniken, die in der Lage sind, bis zu 90 Prozent des CO2 aus dem Rauchgas herauszuwaschen. Das abgeschiedene CO2 wird dann anschließend in unterirdischen Depots gelagert.

Die Alternative zur TEV liegt laut SWN in der Geothermie. Bei dieser nachhaltigen Wärmegewinnung wird durch Bohrungen Wärme aus dem Erdinneren gewonnen, die dann über isolierte Rohre in die Neumünsteraner Haushalte gebracht wird. Da auch dieses Thema, genau wie die Abscheidung von CO2 mit hohen Investitionen verbunden ist, werden beiden Möglichkeiten fortlaufend geprüft.

Durch die Stilllegung der Kohlekessel wird SWN rund 91.000 Tonnen Treibhausgase pro Jahr einsparen. Michael Böddeker erklärt: „Nach der aktuellen Revision der TEV in diesen Tagen planen wir, die Kohlekessel nicht mehr einzusetzen. Die Restbestände nutzen wir dann nur noch in Sonderfällen, zum Beispiel, wenn die Brennstoffförderung gestört ist.“ Die Aufgabe der Kohlekessel übernehmen zu-nächst Blockheizkraftwerke, die mit Erdgas betrieben werden. Zukünftig will SWN aber auch deren Einsatz weitestgehend reduzieren. Die Stadtwerke Neumünster planen aktuell einen Wärmespeicher sowie eine Großwärmepumpe am städtischen Klärwerk; über diese könnte die dort entstehende Abwärme genutzt werden.

Der umfassende Katalog der Stadtwerke Neumünster beinhaltet viele weitere Einzelmaßnahmen. Im Verkehr zieht SWN beispielsweise den Ausbau des Mobility-On-Demand-Angebots Hin&Wech in Betracht, bei der Vergabe von Ausschreibungen für Dienstleistungen legt der Versorger zukünftig strengere Nachhaltigkeitskriterien fest und die gesamte Fahrzeugflotte soll auf Elektrofahrzeuge um-gestellt werden. Bei den PKW der Stadtwerke ist dies schon zu über 90 Prozent der Fall.

Weitere Informationen zur Klimastrategie der Stadtwerke Neumünster gibt es unter www.swn.net/klimastrategie. Zusätzlich wird am 28. Juli die Waldbühne zur Klimabühne. Mitarbeitende der Stadtwerke Neumünster erklären die Klimastrategie, beantworten Fragen und gehen in den Austausch mit interessierten Neumünsteranerinnen und Neumünsteranern. Der ganze Tag wird im Zeichen der Nachhaltigkeit stehen. Kinder können Saatbälle basteln, es gibt nachhaltiges Eis und auf der Kleidertauschböse können Menschen Kleidungsstücke, die sie nicht mehr brauchen, gegen andere Kleidung, die ihnen gefällt, eintauschen und vieles mehr.