Der Weiterbau der A 20, die Elbvertiefung oder der Baubeginn der festen Fehmarnbeltquerung: Die Verzögerungen bei wichtigen Verkehrsprojekten in Schleswig-Holstein belasten die regionale Wirtschaft. Erstmals reisten die Vollversammlungen der drei schleswig-holsteinischen Industrie- und Handelskammern gemeinsam nach Berlin, um mit der Bundespolitik in einen konstruktiven Dialog zum Thema Planungsbeschleunigung von Infrastrukturprojekten zu treten. In gleich mehreren Veranstaltungsformaten trugen die Unternehmerinnen und Unternehmer ihre Auffassungen und Forderungen zu dem Thema Planungsbeschleunigung den Mitgliedern des Bundestags vor – gleichzeitig informierten sie sich über die Aktivitäten des Verkehrsministeriums und der Bundespolitik. „Die Notwendigkeit der Planungsbeschleunigung zeigt sich besonders eklatant bei klassischen Verkehrsinfrastrukturinvestitionen. Sie gilt aber auch für den ebenso dringlichen Ausbau der Daten- wie der Energienetze sowie bei Gewerbeansiedlungen. Ansatzpunkte für eine Verbesserung der Rahmenbedingungen ergeben sich sowohl bei den Planungsverfahren selbst als auch bei den Klageverfahren“, sagte Friederike C. Kühn, Präsidentin IHK Schleswig-Holstein. Die Delegation hatte bei ihrem Besuch in der Bundeshauptstadt mehrere verkehrspolitische Forderungen der IHK Nord und des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK) zur Planungsbeschleunigung im Gepäck. In einem politischen Abenddialog forderten Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki, Staatssekretär Enak Ferlemann und der Koordinator der Bundesregierung für die Maritime Wirtschaft, Norbert Brackmann, gemeinsam mit Schleswig-Holsteins Wirtschafts- und Verkehrsminister Dr. Bernd Buchholz, die Dauer und Komplexität von Plan- und Klageverfahren zu verkürzen sowie der Politik und Verwaltung mehr Mut bei der schnellen Umsetzung von Infrastrukturprojekten zuzusprechen. In der Diskussion schlossen sich die Bundes- und Landespolitiker den IHK-Forderungen an. Im Mittelpunkt des Gesprächs standen die Verkürzung des Instanzenweges bei Klagen gegen Infrastrukturprojekte, eine Mitwirkungspflicht der Umweltverbände bereits ab Beginn der Planung sowie eine Stärkung der Rechtssicherheit für die Planungsbehörden, indem Einwendungen von Klägern in Gerichtsverfahren immer dann ausgeschlossen werden, wenn diese zuvor nicht oder nicht rechtzeitig geltend gemacht wurden (materielle Präklusion), „Mit dem Verbandsklagerecht muss auch eine Mitwirkungspflicht einhergehen. Wer den Weg zum Gericht geht, sollte auch von Beginn an mitwirken“, forderte auch Buchholz. Eine weitere Forderung der Wirtschaft, wichtige Infrastrukturprojekte in Anlehnung an das dänische Vorbild in Form eines Baugesetzes durch den Bundestag beschließen zu lassen, soll jetzt offensichtlich auch in Deutschland ausprobiert werden, mit der Marschbahn und der Vertiefung des Nord-Ostsee-Kanals auch zwei Projekte in Schleswig-Holstein. Eine entsprechende Information durch Staatssekretär Ferlemann wurde von allen Beteiligten sehr erfreut aufgenommen. Welche Auswirkungen langwierige Planungsverfahren auf die schleswig-holsteinische Wirtschaft haben, war Thema eines Parlamentarischen Frühstücks in der Landesvertretung. Die IHK-Vertreterinnen und Vertreter erneuerten ihren Appell für eine Tempoerhöhung bei Planungsprozessen gegenüber Bundestagsabgeordneten des Landes. Holger Matzen, Vorsitzender des Arbeitskreises Logistik der IHK Schleswig-Holstein, schilderte die Betroffenheit der Unternehmen exemplarisch am Logistiksektor. Der Verantwortliche Geschäftsentwickler bei der Voigt Logistik in Neumünster veranschaulichte: bei 120 Lastzügen des Unternehmens und einem Umsatz von 75 Millionen Euro falle jährlich eine Million Euro an Staukosten an. „Das ist horrendes Geld, das wir verlieren, nur weil wir im Stau stehen – und das kostet uns und unser Land Wirtschaftskraft“, kritisierte Matzen. Infrastruktur- und Investitionsvorhaben würden ausgebremst, weil in den Verwaltungen nicht ausreichend Kapazitäten zur Verfügung gestellt werden. „Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Behörden müssen wieder lernen, verantwortungsbewusste und positive Entscheidungen zu treffen, um Entwicklungen nicht auszubremsen, sondern die Wirtschaft zu unterstützen“, forderte Matzen und wagte den Blick in europäische Nachbarländer: „Auch in Dänemark und in den Niederladen wird geltendes EU-Recht nicht gebrochen. Trotzdem beobachten wir, dass dort erheblich schneller geplant wird.“ Ingbert Liebing, Staatssekretär und Bevollmächtigter des Landes Schleswig-Holstein beim Bund, zeigte sich erfreut über den Besuch der IHK-Delegation. Der Hausherr gab eine Einführung in die Arbeit und Wirkmechanismen im Bundesrat sowie die Mehrheitsverhältnisse und Möglichkeiten der Mitwirkung an Gesetzgebungsprozessen. „Die Themen der schleswig-holsteinischen Wirtschaft direkt aus der Praxis in das politische Berlin zu tragen – das ist genau der richtige Weg“, so Liebing. „Es ist uns wichtig, dass die Bundespolitik die Positionen der regionalen Wirtschaft kennt und diese in ihre Arbeit und in die Beratungen in den Parteien, Fraktionen, Ausschüssen und in den Ministerien einbringen können“, sagte Kühn abschließend zum Berlinbesuch der drei Vollversammlungen. Mit der Veranstaltung kommt die IHK ihrem gesetzlichen Auftrag der Interessenvertretung und der Politikberatung auch in der Hauptstadt nach. IHK Schleswig-Holstein Die IHK Schleswig-Holstein ist die Arbeitsgemeinschaft der IHKs Flensburg, Kiel und Lübeck. Die IHK Schleswig- Holstein ist der zentrale Ansprechpartner für alle Fragestellungen zum Thema Wirtschaft, die mehr als nur regionale Bedeutung haben. Zu diesen Themen bündelt sie die Meinung der drei IHKs in Schleswig-Holstein, so dass diese gegenüber Politik und Verwaltung mit einer Stimme für die Wirtschaft im Lande sprechen. Die IHK Schleswig-Holstein nimmt die Interessen von 175.000 Unternehmen mit rund 750.000 Arbeitnehmern wahr. Forderungen der Wirtschaft Die IHK Schleswig-Holstein begleitet die Arbeit von Politik und Verwaltung im Land kontinuierlich und setzt sich für die wirtschaftsfreundliche Gestaltung von Rahmenbedingungen für die Unternehmen ein. Auf der Basis eines zentralen Forderungspapiers zur Landtagswahl hat die IHK Schleswig-Holstein den Koalitionsvertrag bewertet. Im halbjährlichen Abstand bewertet sie die für die Wirtschaft wichtigsten Punkte neu. Die aktuelle Bewertung finden Sie im Internet unter der Adresse www.ihk-schleswig-holstein.de/forderungen. Foto: (von rechts) Koordinator der Bundesregierung für die Maritime Wirtschaft, Norbert Brackmann, Staatssekretär Enak Ferlemann, Moderator Stefan Kläsener, Chefredakteur des sh:z, Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki sowie der Wirtschaftsminister des Landes Schleswig-Holstein Dr. Bernd Buchholz. ©IHK/Tietjen