Neumünster Mit der Inbetriebnahme einer neuen Wärmepumpenanlage geht SWN einen wegweisenden Schritt in der Wärmegewinnung. Das Projekt verbindet erstmals die Trinkwasserversorgung mit nachhaltiger Wärmegewinnung und ist damit deutschlandweit nahezu einzigartig.

„Im Jahr 2022 musste die bestehende Fernwärmeleitung getrennt werden, um die Rohwasserleitung des Wasserwerks zu sanieren. Eine erneute Anbindung an das Fernwärmenetz erwies sich als wirtschaftlich nicht sinnvoll. Daher suchte das Wasserwerk nach alternativen Konzepten zur Wärmeversorgung“, erklärt Michael Frahm, Projektleiter Technischer Service Wasserwerk bei SWN. Ein entscheidender Impuls kam im Februar 2023 mit der gesetzlichen Anpassung der Trinkwasserverordnung (§ 13 Absatz 6 TVO). Seitdem ist es – mit Zustimmung der Gesundheitsbehörden – möglich, physikalischen Einfluss auf Trinkwasser zu nehmen, um Wasserwerksanlagen mit Wärmeenergie zu versorgen. „Bereits im Juni 2023 stellte das Wasserwerk Neumünster den Antrag beim Gesundheitsamt und bezog auch die untere Wasserbehörde frühzeitig ein, um mögliche Hürden zu vermeiden. Nur zwei Monate später, im August 2023, wurde das Projekt überraschend schnell genehmigt – dank der guten Zusammenarbeit aller Beteiligten, einer transparenten Planung, dem Ziel erneuerbare Energien weiter auszubauen und vor allem mit der Priorität, jedwede schädlichen Auswirkungen auf das Trinkwasser auszuschließen“, erinnert sich Frahm. In enger Abstimmung mit den Behörden folgte eine intensive Planungsphase, um eine gleichbleibende Trinkwasserqualität zu gewährleisten. „Im August 2025 begann schließlich der Bau der Anlage. Dabei wurden wir von unseren Kolleginnen und Kollegen aus der Abteilung für Wärmepumpen tatkräftig unterstützt“, berichtet Michael Frahm.

Die Wärmepumpe führt seit Mitte Oktober einen Teilstrom von bis zu 10 m³ Trinkwasser pro Stunde über einen Wärmetauscher. Dabei wird dem Wasser eine Temperatur von bis zu vier Kelvin entzogen – das entspricht einer thermischen Leistung von 45 kW. Das bedeutet: Die Wärmepumpe ist sehr effizient – sie nutzt Umweltwärme so gut, dass sie mit wenig Strom sehr viel Heizenergie bereitstellt. Dadurch sinkt der Stromverbrauch deutlich und es werden künftig rund 75 Prozent gegenüber der vorübergehenden Versorgung mit einer elektrischen Heizpatrone eingespart. 

Mit dieser neuen Wärmegewinnung gilt das Wasserwerk bundesweit als Vorreiter. Daher soll diese Anlage auch in ein Forschungsvorhaben eingebunden werden, das sich mit der Wärmenutzung aus Trinkwasser beschäftigt. Das IWW Institut für Wasserforschung gemeinnützige GmbH (IWW) in Mülheim an der Ruhr koordiniert zurzeit einen Forschungsantrag, der die Ermittlung des Potenzials der deutschlandweiten Nutzung von Trinkwasser zur Wärmegewinnung und die Festlegung von Leitlinien für einen technisch stabilen und hygienisch sicheren Betrieb zum Ziel hat. „Hierfür ist es wichtig, Daten und Erfahrungen anhand von realen Anlagen zu gewinnen. Daher freuen wir uns über Unternehmen, die innovative Lösungen umsetzen und Anlagen für die Forschung zur Verfügung stellen“, sagt Dr. Bernd Bendinger, Bereichsleiter ‚Angewandte Mikrobiologie‘ im IWW.
Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie sieht dieses Projekt als förderwürdig an. Sollte das Vorhaben bewilligt werden, wird die Anlage in Neumünster ab 2026 umfangreiche Messdaten liefern und so zur Weiterentwicklung des technischen Regelwerks in Deutschland beitragen. 
In anderen europäischen Ländern – etwa Dänemark, den Niederlanden oder der Schweiz – ist die Nutzung von Trinkwasser als Wärmequelle schon eine bewährte Praxis. 

Die Umsetzung des Projekts erforderte eine starke Zusammenarbeit der SWN-Kolleginnen und Kollegen. Das Wasserwerk plante und realisierte die Trinkwasserseite, während die Wärmepumpenabteilung die Heizungsseite entwickelte. Da vergleichbare Projekte bislang fehlten, mussten beide Teams Neuland betreten. Die größte Herausforderung bestand im Zusammenspiel der trinkwasserrechtlichen und heizungstechnischen Anforderungen. „Wir haben in diesem Projekt unglaublich viel gelernt – und alle Beteiligten haben an einem Strang gezogen“, fasst Frahm zusammen.